Im Licht der roten Erde
zuzuschreien.
Als sie am Haupthaus vorgefahren war – ein großes, in Fertigbauweise errichtetes Gebäude mit vielen Zimmern –, gesellten sich lächelnde Frauen zu den Kindern, um sie zu begrüßen. Zwei Männer, beides Älteste, saßen auf Klappstühlen im Schatten einiger Bäume und hoben zum Gruß die Hand, während sich der überquellende Toyota leerte. Ein Bett, das als Couch diente, stand auf einer überdachten Veranda, weitere Stühle und Matten waren um die Überreste eines Feuers verteilt. Es gab vier Häuser, provisorische, kastenförmige Bauten, die nach Staatseigentum aussahen, doch die meisten Familien verschmähten die Essbereiche in ihrem Innern und zogen es stattdessen vor, ihre Mahlzeiten am gemeinschaftlichen Lagerfeuer einzunehmen. In der Nähe war ein Tisch aufgestellt, der als Behelfsküche diente. Er war beladen mit Pfannen, Soßenflaschen, Tellern und Besteck. Fünfzig Meter weiter, an einem ausgedehnten Wasserloch im Flusslauf, stand ein Schuppen mit einem Generator, der ihnen Energie für Lampen und Kühlschränke lieferte.
Zwanzig Mitglieder der Barradja-Gemeinschaft wohnten hier, bis sie zum
boab
-Festival in Derby aufbrachen. Einen Teil des Jahres hatten manche der Frauen zeitlich begrenzte Jobs in Marrenjowan, und die Männer kamen alle paar Wochen angefahren, um ihren »Geschäften« nachzugehen. Wenn die sommerliche Regenzeit anbrach, zogen sie alle in die vom Staat gestellten Unterkünfte in der Stadt.
In ihrer Rolle als Lehrerin und Beraterin oblag Beth der Balanceact zwischen der westaustralischen Regierung, der Bundesregierung, den gemeinschaftlich gewählten
land councils
der Gegend sowie den Barradja-Ältesten und ihren Ratgebern von den
Aboriginal Legal Services,
in den späten 1960 er Jahren von Aborigines gegründeten Organisationen, die Rechtsanwälte und andere Personen zu ihren Mitgliedern zählten, welche ihnen bei der Lösung juristischer, sozialer oder familiärer Probleme zur Seite stehen konnten. Sie hielt sich auf dem Laufenden, was die Probleme der Gemeinschaft anbelangte. Die Leute waren stets erpicht darauf zu wissen, ob Geld hereinkam, denn ungeachtet ihres Wunsches nach Unabhängigkeit, eigenem Landbesitz und Selbstbestimmung waren sie mit dem Wohlfahrtssystem des weißen Mannes aufgewachsen. Wenigstens hier hatte die traditionelle Kultur überlebt, den Übergriffen der weißen Gesellschaft – Fernsehen, Videos, Dosenmahlzeiten, Softdrinks und zu viel Zucker, zu viel Stärke – zum Trotz.
Heutzutage versuchte Beth, ihr Engagement bei alltäglichen Streitpunkten wie verspäteten Zahlungseingängen, kaputten Autos und Gemeindeversammlungen in Derby und Kununurra in Grenzen zu halten.
Wenn sie die Ältesten in Marrenyikka besuchte, ging es in erster Linie um Pläne für die Zukunft der Barradja. Es war ihre Bestimmung, für diese Leute da zu sein; Seelen zu retten hatte nicht dieselbe Priorität wie dafür zu sorgen, dass sie ein würdiges, gesundes Leben führten und ihren rechtmäßigen Platz in der komplexen Landschaft des politischen und kulturellen Australiens einnahmen. Die Räder der Bürokratie und des Wandels drehten sich nur widerstrebend, und manchmal verzweifelte sie vor Sorge, wenn sie sah, wie langsam sich die Dinge verbesserten und die Einstellung der Weißen sich änderte. Es dauerte zu lange, bis die jungen Aborigines genug gelernt hatten, um den Kelch der traditionellen wie der aktuellen Verantwortung zu übernehmen.
Die Ältesten schlenderten herbei. Manche trugen kurze Hosen und Unterhemden, manche Jeans oder ausgebeulte Trainingshosen. Stiefel, Turnschuhe oder Sandalen waren die beliebteste Fußbekleidung, Stroh-Stetsons oder Baseballkappen die bevorzugte Kopfbedeckung. Die meisten Aborigine-Männer waren dünn und knochig, die Kleidung schlotterte an ihren eckigen Gestalten, wohingegen sich bei anderen ungesunde Wampen unter den T-Shirts wölbten. Die beiden Frauen im Schlepptau der Männer waren barfuß, ihr Gang leicht schlingernd, plattfüßig, ohne Eile. Jennifer Wollangi, eine schlanke Frau um die dreißig in Jeans und Baumwollbluse. Ihre Mutter Lilian hatte breite Hüften und einen vollen Busen, der ungehindert im Oberteil ihres ausgeblichenen Kleides wippte. Die Männer schüttelten Beth höflich die Hand, Jennifer umarmte sie. »Schön, dich zu sehen, Beth.«
Bald darauf machte es sich die Gruppe auf den Stühlen um die Asche des Lagerfeuers vom Abend zuvor bequem. Drinnen wurde Tee gekocht und zusammen mit einer Packung
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