Im Licht der roten Erde
Verwaltungsinstitutionen ausgegeben wird, anstatt dass es dahin fließt, wo es gebraucht wird.«
»Dem stimme ich zu.«
»Das Problem ist, dass sie angefangen hat, ständig auf der Sonderbehandlung und den Zuwendungen herumzureiten, die den Aborigines zuteilwürden, während der Rest des Landes leer ausgehe, und darauf, dass so viele von ihnen ohnehin keine ›echten‹ Ureinwohner seien. Das, was sie bekämen, würden sie doch nur verschwenden und anschließend die Behörden um mehr angehen.«
»Auf Kosten der überforderten, hart arbeitenden weißen Bevölkerung.« Beth verdrehte die Augen.
»Behauptet sie. Sie wirft mit wilden Anschuldigungen um sich, Verallgemeinerungen, die sachlich falsch sind, und bietet allzu simple, unwahrscheinliche Lösungen an. Das Beängstigende ist, dass niemand hier oben Shareen Beckridge korrigiert, im Gegenteil: Die Leute fangen an, ihr zuzuhören.«
»Das ist doch nichts als eine Ladung bigotter Müll. Niemand außerhalb der Stadt wird sie ernst nehmen.«
»Sie ist landesweit im Radio gewesen, und es geht das Gerücht, dass mehrere Nachrichtensender hierherkommen.«
Beth hatte ihren Tee kalt werden lassen. »Das klingt beunruhigend. Erzähl mir mehr über die Politiker, die hinter ihr stehen.«
»Ich habe mit ihnen im Anschluss an einige Versammlungen gesprochen. Sieht aus, als hätten sie vor, sämtliche
land claims
zu stoppen, um eigennützige Interessen zu verfolgen, wie zum Beispiel Baugesellschaften, Unternehmer und Minenbaukonzerne zur Grundstückserschließung und Exploration anzulocken. Denen geht es allein um Dollars. Das Erbe und die Rechte der Aborigines stehen da nur im Wege«, erklärte Esme mit kaum verhohlenem Abscheu.
»Die
land claims
zu stoppen würde die Dinge für sie enorm erleichtern. Klingt für mich so, als stünden dickere Fische hinter diesen beiden Lokalpolitikern. Weißt du, ob es da draußen irgendwelche Hinweise auf erfolgreiche Probebohrungen gibt? Und warum interessieren sich Grundstücksmakler so sehr für eine kleine Stadt wie diese?«
»Sie blicken auf die Kimberley. Auf die Entwicklung zum Touristen- und Ferienparadies. Eine der spektakulärsten Landschaften der Welt – die Bungle Bungles, Schluchten, Flüsse. Riesiges Potenzial für große Ranches und Urlaubsresorts wie in Übersee. Und jeder hofft, dass es hier mehr Eisenerz und außerdem Gold, Diamanten oder was auch immer aus der Erde zu holen gibt. Doch solange die Streitigkeiten um den Besitzanspruch der Aborigines andauern, können die Unternehmer nicht einfach ins Land spazieren und den Boden aufreißen lassen.«
»Alles, was die Barradja verlangen, ist das Recht, auf einem Teil ihres eigenen Landes zu leben. Ihr
land claim
greift nicht auf gepachtetes Staatsland über, wenngleich sich die Behörden aufführen, als forderten sie den Mond.«
»Es ist eine strittige Angelegenheit, na gut. Die Weißen kamen hierher und nahmen Land in Besitz, das sie für unbesiedelt, für ungenutzt hielten. Teile dieses Landes jetzt zurückzugeben ist ihnen ein Greuel. Wir haben es mit Schuld, Gier, aber in manchen Fällen auch mit guten, hart arbeitenden Menschen zu tun, die sich schlicht und einfach der Bedrohung ausgesetzt sehen, dass ihnen ihr eigener Hinterhof weggeschnappt wird«, sagte Esme. »Das Problem ist, dass die meisten nicht verstehen, wie die derzeitigen Gesetze auszulegen sind, und nur deshalb in die Luft gehen, weil sie so schlecht informiert sind.«
»Leute wie diese Shareen tragen nicht gerade zur Versöhnung bei«, seufzte Beth. »Die Ignoranz macht mich so wütend. Ich wette, sie weiß nichts über die wahre Kultur der Aborigines oder die Motive eines Stammes wie dem der Barradja.«
»Warum lädst du sie nicht einfach ein, dich und diese anderen weißen Städter zu dieser Zusammenkunft, von der du sprichst, zu begleiten?«, schlug Esme vor.
»Ha!«, rief Beth und machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. Doch als Esme die Teekanne zurück zum Heißwasserkessel trug, um sie aufzufüllen, fing sie an nachzudenken.
Esme blickte durchs Zimmer auf Beth, die gedankenverloren mit ihrem Teelöffel hantierte, und wusste, dass sie einen Kiesel in den Teich von Beth’ regem Geist geworfen hatte.
Auf der anderen Seite des Kontinents, in Sydney, dachte Susan an Beth. Veronica und sie waren von Veronicas Haus in Paddington ans Ende eines der Kais in Rushcutters Bay spaziert und hatten sich dort hingesetzt. Sie betrachteten die vertäuten Jachten und Ausflugsschiffe.
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