Im Licht der roten Erde
Butterkekse hinausgetragen. Beth ließ sich die Neuigkeiten über Freunde, Verwandte sowie die jüngsten Machenschaften der Bürokraten des
land council
berichten. »Für ein Gremium von Leuten, das vorgibt, auf unserer Seite zu stehen, bereiten sie uns ganz schön Kopfschmerzen!«, sagte Lilian.
Die Frauen schlenderten wieder hinein. Auf einen Blick von Rusty Kinawalli verstummten die Kinder, die sich in der Nähe herumgedrückt hatten und auf den Schoß ihrer Besucherin geklettert waren, und verschwanden.
Beth betrachtete die Männer, die sie seit nunmehr sieben Jahren kannte. Rusty war – wie Beth es nannte – von stabiler Statur: breit, kräftig, groß. Er hatte Football gespielt und in seiner Jugend für ein bisschen Kleingeld in Provinzstädten geboxt, und sie stellte sich vor, dass er ein furchteinflößender Gegner gewesen sein musste. Ungeachtet seiner massigen Gestalt hatte er eine helle Stimme und war allzeit zu einem Lächeln bereit.
Der Künstler Digger Manjarrie war ebenfalls hochgewachsen, aber dünn und kantig. Er stand mit seinen Stiefeln Größe siebenundvierzigeinhalb fest auf dem Boden, doch auf die Jagd ging er stets barfuß, und er war noch immer ein flinker, geschmeidiger Läufer.
Die Männer blickten diese weiße Frau an, die Ardjani vor sieben Jahren zu ihnen gebracht hatte. Die anfängliche Gleichgültigkeit, selbst ihr Misstrauen gegenüber einer Weißen, die behauptete, ihnen helfen zu wollen, wenngleich sie weder einen richtigen Job noch Einfluss hatte, weder Geld noch einen augenscheinlichen Grund, hatte sich schließlich gelegt. Stattdessen war ein beiderseitiges Vertrauen gewachsen und die Anerkenntnis ihrer aufrichtigen, hingebungsvollen Bereitschaft, für die Aborigines einzutreten und zu kämpfen. Schon vor ihrem ersten Treffen hatten sie gewusst, dass Ardjani und Beth seit zehn Jahren befreundet waren, seit sie sich in Derby kennengelernt hatten, kurz nachdem Beth sich von ihrem Gelübde als Nonne losgesagt hatte.
Man hatte Ardjani damals eingeladen, als »kultureller Botschafter« im Fernstudienzentrum in Derby zu sprechen. Beth war, hauptsächlich aus Neugier, mit zu der Ausstellung von Barradja-Kunst gegangen, die Teil des Abends zur »kulturellen Bewusstseinsbildung« gewesen war. Sie war Ardjani vorgestellt worden, der nicht viel mehr getan hatte, als in der Gegend herumzustehen und neben den Bildern für Fotos zu posieren.
Der Kunsthistoriker, der veranlasst hatte, dass die Kultur der Aborigines in diese Ausstellung miteinbezogen wurde, hatte Beth’ aufrichtiges Interesse gewürdigt und sie ermutigt, sich in den kommenden Tagen mit ihnen zu treffen, bevor Ardjani nach Marrenyikka zurückkehrte. Obwohl die Kunst eine lebendige Interpretation der Kultur und Gesetze der Ureinwohner darstellte, hatte Beth schnell erkannt, dass weit mehr Weisheit und Wissen dahintersteckte. Nach kurzer Zeit in Ardjanis charismatischer Gegenwart war sie überwältigt gewesen von der Seele dieses Mannes. Er hinterließ einen tiefen Eindruck bei allen, die ihm begegneten, doch es war Beth, die in ihm einen einfühlsamen Propheten und Visionär gesehen hatte.
Als junger Mann hatte Ardjani auf Rinderfarmen gearbeitet, aber er hatte stets den Wunsch gehegt, wieder mit seinem Land und seinen Leuten zusammenzukommen. »Eines Tages, eines Tages kehren wir alle nach Hause zurück. Wir werden zurückkehren, und wir werden für immer dort bleiben, wo unsere Ahnen wohnen, in unserem
wandjina-
Land.«
Und bei diesen einfachen Worten, die Ardjani Beth gegenüber Jahre später noch einmal wiederholte, hatte sie erkannt, welche Rolle sie im Leben zu spielen hatte: zu helfen, diesen Tag herbeizuführen.
Ardjani und Beth waren in Kontakt geblieben. Beth hatte arrangiert, dass Ardjani am Community College, wo die Schüler auf ihren zukünftigen Beruf oder ein Hochschulstudium vorbereitet wurden, regelmäßig zu den Klassen sprechen sollte. Die Finanzierung war stets ein Problem, doch über verschiedene Träger hatte Beth Gelder aufgetrieben, mit denen Ardjanis Reisekosten bezahlt werden konnten. Ardjani war von Missionaren unterrichtet worden, dennoch hatte er das überlieferte Wissen seiner Kultur bewahrt. Über die Jahre hatte er diese beiden Welten in eine Art Gleichgewicht gebracht, bis zu der Zeit, als er die Station verlassen hatte und zurückgekehrt war, um von den Alten mehr über das Erbe seines Landes zu erfahren. Bestimmte Gesetze, Kenntnisse und Zeremonielle wurden nur dann
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