Im Licht der roten Erde
der Kindererziehung völlig überfordert zu sein.« Sie schwiegen einen Augenblick, dann fragte Beth: »Wie geht es deinen Jungs?«
Ardjani lächelte stolz. »Bald ist es an der Zeit, dass Joshua seine Initiation beendet. Und Luke muss mehr über die Lebens- und Denkweise der Weißen lernen. Beth, ich möchte, dass sie eine weiße Jungenschule besuchen.«
Beth nickte, ihr Gesicht zeigte keine Überraschung. Joshua und Luke waren Ardjanis jüngste Söhne von seiner zweiten Frau, die vor zwei Jahren gestorben war. Josh war fünfzehn, Luke neun, und Ardjani sah in ihnen die Zukunft. Die beiden würden sein Erbe antreten, und er unterrichtete sie jeden Tag.
»Warum willst du, dass sie auf eine weiße Jungenschule gehen, Ardjani?«, fragte Beth behutsam.
»Ich habe nachgedacht. Hab selbst ’ne weiße Erziehung erhalten … hat mir im Umgang mit den weißen
law men
geholfen. Ich habe von Gott erfahren, von der Königin von England und wie ich anständig mit Messer und Gabel umgehe.«
»Das war auf der Missionsschule. Die Zeiten ändern sich, diese Art Ausbildung wird Josh und Luke nicht weiterbringen.«
Ardjani schüttelte den Kopf. »Ich weiß. Deshalb möchte ich sie auf eine große Schule geben. Auf eine vornehme. Auf das beste Internat weit und breit. Sie müssen eine weiße Erziehung erhalten, genau wie sie lernen müssen, Barradja zu sein und unseren Leuten zu helfen, Teil beider Welten zu werden. Du regelst das, Beth.«
Er wandte sich ab, das Thema war beendet. Sie wusste, dass es zu dieser Idee viele Versammlungen und Diskussionen gegeben haben musste. Dann war der nächste Schritt erfolgt: Hol Beth her, damit sie das arrangieren kann. Das war Teil ihrer Rolle als Beraterin und Freundin.
»Das wird ein wenig Zeit brauchen, Ardjani. Wir müssen den Direktor der besten Schule anschreiben. Ich denke dabei an die Camfield Grammar in Perth. Wir müssen ihm erklären, warum du die Jungs dorthin schicken möchtest. Es ist eine sehr teure Schule, und die Jungen brauchen besondere Aufmerksamkeit, bis sie sich eingefügt haben. Außerdem müssen wir erläutern, weshalb du der Ansicht bist, dass dieser Schritt ebenso dem Wohl der Schule dient wie dem von Josh und Luke.«
Ardjani nickte. »Ich diktiere dir einen Brief über den wechselseitigen Austausch von Denk- und Erziehungsweisen. Du tippst ihn.«
»Wir müssen noch über etwas anderes sprechen. Über die Gruppe von Weißen, die ich in den nächsten Wochen herbringe, damit sie dich und deine Leute kennenlernen können.«
Ardjani nickte und blickte die anderen Ältesten an. »Wir haben darüber geredet. Rusty, Digger und Lilian machen sich ein bisschen Sorgen.« Er hob den Arm und rief einem Kind in der Nähe in Barradja-Sprache zu: »Geh Lilian holen. Sag der Tante, sie soll herkommen.«
Lilian kam – in ihrem eigenen Tempo. Sie beeilte sich nicht, Ardjanis Befehl zu folgen, denn auch sie war eine
law woman
und Älteste, wenngleich ihr bewusst war, dass Ardjanis Wunsch einem Gesetz gleichkam. Ihr dralles Gesicht glättete ihre Falten, doch ihre krumme Nase und die fehlenden Zähne zeugten von früheren Schlägen eines betrunkenen Familienangehörigen, der nicht mehr in der Gemeinschaft lebte. Mit überkreuzten Beinen setzte sie sich auf den Boden, das ausgebleichte Baumwollkleid zwischen die Knie gesteckt, faltete die Hände im Schoß und blickte Ardjani an.
»Wir haben über deine Idee gesprochen, Beth, und Lilian will wissen, wie uns diese Leute helfen werden. Warum können sie sich nicht in der Stadt mit uns treffen? Oder zu einem Gespräch herkommen und danach wieder zurückgehen? Warum kommen sie und bleiben hier?«
Ardjani blickte zu Lilian hinüber, die das unterschwellige Signal verstand und mit sanfter Stimme erklärte: »Wir wollen nicht unhöflich sein, sie sind willkommen. Doch wenn sie Stadtleute sind, wie wollen sie bei uns unterkommen? Wir möchten nicht, dass es hier so aussieht wie in deren Caravan-Parks.«
Beth nickte. »Das verstehen sie. Wir können zelten. Ich habe jemanden ausfindig gemacht, der sich darum kümmert, dass das hier kein Picknickplatz wird. Die Idee ist, dass diese Leute kommen und erfahren, wie euer Leben aussieht, dass sie von euch lernen. Und vielleicht können wir sie dazu bringen, uns bei unseren Plänen zu unterstützen. Bisher habe ich noch nicht mit ihnen darüber gesprochen. Warten wir ab, wie sie darauf reagieren, hier zu sein.«
»Weiße sind nicht der Ansicht, dass sie von uns was lernen können«,
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