Im Licht der roten Erde
bemerkte Digger trocken. »Sie sagen, was sollen die Schwarzen aus der Wüste Leuten wie uns schon zeigen?«
»Wir hatten schon vorher weiße
law men
hier, die uns helfen wollten, aber die haben nichts getaugt«, fügte Rusty hinzu.
»Das waren junge
law fellas,
die noch keine Erfahrung hatten«, wandte Ardjani ein. »Sie haben gesagt, sie setzen sich ein, um uns zu helfen, aber sie haben nicht zugehört, was wir wollen. Sie sind vor Gericht gegangen und haben mit dem Richter gesprochen, und wir haben hinten gesessen, aber sie haben nichts von dem erwähnt, was wir ihnen erzählt hatten.« Dann wandte er sich den anderen zu und fuhr fort: »Jetzt machen wir es auf die andere Weise, auf Barradja-Art. Wir sprechen mit dem Richter, und weiße Rechtsanwälte sitzen hinten.«
Beth lachte. »Das klingt gut. Dennoch müsst ihr wissen, wie man sich an den Gerichtshöfen der Weißen mit ihren juristischen und bürokratischen Abläufen durchschlängelt.«
Ardjani lächelte, als Beth sprach, und schließlich sagte er zu den anderen: »Wir werden zusammenarbeiten, und wir werden ein neues Gesetzessystem einführen – eine neue Gesellschaftsstruktur, die aus dem Austausch zwischen Schwarz und Weiß hervorgeht. Eine neue Art und Weise für alle Einwohner Australiens, ihr Leben und dieses Land miteinander zu teilen. Wir werden einen Weg finden, dieses Geschenk zu machen.«
»Dann lasst uns bei den Leuten, die bald kommen werden, damit anfangen. Sie wollen über alles etwas erfahren«, sagte Beth. »Über die Kunst, die Musik, die Medizin, das Essen, die
wunggud-
Geister, die Geschichten …«
»Da werden sie wohl viele Jahre hierbleiben müssen«, sagte Rusty grinsend.
»Es ist ein Anfang«, sagte Beth. »Es ist ein Anfang.«
[home]
Yandoo
S tundenlang war die Linienmaschine über eine endlose Leere geflogen. Melbourne und Sydney schienen so weit weg zu sein, dass sie genauso gut auf einem anderen Planeten hätten liegen können. Nichts, das Susan dort unten sehen konnte, ließ auf eine Verbindung zu den beiden im Osten gelegenen Küstenstädten schließen, die sie so gut kannte, derart schnell waren die weiten fruchtbaren Ebenen im Westen von New South Wales dem Nichts gewichen. Einem Nichts, so schwer zu deuten wie ein abstraktes Gemälde. Und auf eine gewisse Weise erinnerten sie die krassen Farben und Konturen des öden Landes unter ihr tatsächlich an ein Gemälde. An eins, das sie weder deuten noch verstehen konnte und zu dem sie auch sonst keinen Zugang fand. Vielleicht musste man dort unten sein, um diese Landschaft begreifen zu können, mittendrin.
Das karge
corner country,
das gleich an drei Staatsgrenzen stieß – an Victoria im Süden, South Australia im Westen und Queensland im Norden –, sah schon trostlos genug aus, doch die ausgedehnten Salzpfannen, riesige weiße Narben weiter im Landesinneren, und die roten, von Horizont zu Horizont reichenden Sanddünen der Simpsonwüste waren ein Angriff auf die gewohnte Raumwahrnehmung.
Das hier unterschied sich von sämtlichen Reisen, die Susan je in die unberührten Gegenden von Australien unternommen hatte, und der Flug nach Darwin ins nördliche Territorium war wie kein anderer. Sie war geschäftlich zwischen Sydney und Melbourne hin und her gependelt, hatte Ferien auf den Whitsunday-Inseln gemacht, einen Skiurlaub auf der Südinsel von Neuseeland, doch all das verblasste nun, verglichen mit dem Eindruck, den dieser Flug auf sie machte. Zum ersten Mal, seit sie zugestimmt hatte, Beth in die Kimberley zu begleiten, und Andrew Frazers Einladung, einen Abstecher nach Yandoo zu machen, angenommen hatte, hatte Susan das Gefühl, in eine andere Welt verfrachtet zu werden. Eine Welt, in der sie eine Fremde sein würde. Ob sich die ersten Siedler auch so gefühlt hatten, als sie nach Australien gekommen waren?
Der Gedanke, eine Fremde in ihrem eigenen Land zu sein, beschäftigte sie, denn das, was unter ihr und jenseits des in allen Richtungen verlaufenden Horizonts zu erkennen war, war ihr Land. »Mein Land«, sagte sie gedankenverloren und rief sich das wundervolle, aufwühlende Gedicht von Dorothea Mackellar in den Sinn, das sie wie praktisch jeder Australier während der Grundschuljahre auswendig gelernt hatte. Dennoch – trotz aller Gedichtrezitationen, Volkslieder, Fernsehdokumentationen über das großartige Outback, trotz aller Bücher, Kunst und Musik, die ihr dieses uralte, ausgedehnte Nichts hatten nahebringen sollen, war es ihr immer so fern
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