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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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geblieben wie ein anderer Planet. Als hätte es keinen Bezug zu ihrem Leben.
    Das Gefühl war beunruhigend und aufregend zugleich. Sie dachte an eine Bemerkung, die Andrew Frazer an Ostern gemacht hatte. »Man muss die Erde direkt in die Haut bekommen, um sie zu kennen.«
    Andrew Frazer. Sie lächelte versonnen. Andrew, der Außerirdische aus dem Busch. Susan schloss die Augen und dachte an die Zeit, die sie mit ihm auf der Royal Easter Show verbracht hatte, an die gegenseitige Anziehungskraft, die sie verspürt hatten. Wohin würde diese gerade erst aufkeimende Freundschaft führen? Nun, das war in Susans Augen immer noch ein großes Fragezeichen. Doch sie freute sich darauf, ihn wiederzusehen. Wenigstens würde in seinem Teil des Landes ein Fleckchen Zivilisation zu finden sein, nicht dieses Gefühl der Leere. Seine Familie war seit fast hundert Jahren auf der Station in Yandoo. Dort, auf weniger lebensfeindlichem Gelände, würde sie ein anheimelnderes, vertrauteres Australien in Empfang nehmen.
     
    In Darwin wartete Susan auf ihren kurzen Anschlussflug nach Katherine, dem Yandoo am nächsten gelegenen Flughafen direkt hinter der Grenze zu Westaustralien. In der Wartehalle des Flughafens waren mehrere Pulks von Japanern mit fähnchenbewehrten Reiseführern, europäische Rucksacktouristen, aufgeregte Senioren auf Pauschalreisen, die dem Winter im Süden entkommen wollten, und Aborigines. Einige von ihnen trugen den typischen Stetson der Rinderzüchter und Reitstiefel, Jeans und Hemden in leuchtenden Farben, andere hatten Mobiltelefone und Aktentaschen bei sich und sahen aus, als kämen sie von einer Versammlung des
land council
unten im Süden. Außerdem saßen dort Gruppen von vierschrötigen Kerlen in T-Shirts, die sich über prallen Muskeln und Bierbäuchen spannten – vermutlich Arbeiter von den Bohrinseln oder aus den Minen.
     
    Der Flug nach Katherine war kurz und führte hauptsächlich über Rinderfarmen mit ihren eigenen Start- und Landebahnen, verbunden durch ein Netzwerk von Straßen, die an den asphaltierten, von Nord nach Süd über den Kontinent führenden Stuart Highway – »The Track« genannt – angeschlossen zu sein schienen. Zumindest war es einst nicht mehr als eine Piste gewesen, hatte Susan im Bordmagazin gelesen, ein Trampelpfad für Kamele, bis ein Krieg diese Strecke in eine Hauptverteidigungsader verwandelt hatte. Doch noch immer behielt jeder die alte Bezeichnung »The Track« bei.
    Zu ihrer Überraschung entdeckte Susan beim Anflug auf Katherine einen riesigen Militärflugplatz mit einem Hangar für Caribou- und Hercules-Transportflugzeuge. Sie hatte vergessen, dass Katherine einer der wichtigsten Einsatzstützpunkte Australiens war, und als ihre Passagiermaschine an dieser Zurschaustellung von Macht vorbeiflog, wurde ihr schlagartig bewusst, was für gewaltige Gegensätze dieser Tag versprach. Bei der Aussicht, Andrew wiederzusehen, verspürte sie eine zunehmende Vorfreude. Dennoch war sie ein wenig beunruhigt, dass sie seine Familie nicht kannte, nicht wusste, was er seinen Eltern erzählt hatte, was sie von ihr erwarteten. Doch im Grunde war das auch nicht von Bedeutung. Es war lediglich ein weiterer Programmpunkt, beruhigte sie sich, obwohl sein gestriger Anruf, bei dem er ihr zum zweiten Male versicherte, dass er sie am Flughafen von Katherine abholen würde, verdächtige Gefühle in ihr aufgewühlt hatte. »Ich werde dich mit Pauken und Trompeten empfangen.«
    »Wäre ein
didgeridoo
nicht angemessener?«, hatte sie ihn geneckt.
     
    Er hatte auf ein musikalisches Empfangskomitee verzichtet, doch sein breites Lächeln, seine herzliche Umarmung und ein liebevoller Kuss machten das Wiedersehen leicht. »Mein Gott, es ist großartig, dass du da bist«, sagte er, nahm ihr Handgepäck und ging in den kleinen Terminal. »Zwischendurch habe ich immer mal wieder gedacht, du kommst nicht.«
    »Oh«, sagte sie und gab sich keine Mühe, ihre Überraschung über seine Bemerkung zu verbergen. »Und warum hast du das gedacht?«
    Auf einmal wirkte er verlegen. »Nun … tja … es ist eine so weite Strecke, und du hast zugesagt, bei dieser merkwürdigen Buschsache mit den Aborigines mitzumachen, und da dachte ich eben, wenn du unter Zeitdruck stehst, wäre Yandoo wahrscheinlich das Erste, was du von deinem Terminplan streichst.«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, riefen zwei Männer in der Kluft von Rinderzüchtern: »Tag, Andrew.« Er winkte ihnen zu. »Stationsverwalter«, erklärte er

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