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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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hinterlassen.«
    Sie drehte sich zu ihm und küsste ihn fest auf die Lippen. »O doch, das hast du. Das hast du in der Tat.« Dann knuffte sie ihn in die Rippen. »Ich möchte nur nicht, dass dir das zu Kopf steigt.«
    Sie wollte weiter den Pfad entlanggehen, doch er hielt sie an sich gedrückt. »Ich könnte zu euch stoßen. Im Lager vorbeischauen und sehen, ob du vielleicht gerettet werden möchtest. Würde dir das gefallen?«
    »Es wäre großartig, dich wiederzusehen, aber du solltest Beth Bescheid geben – irgendwie.«
    »Nun, wir werden sehen, was passiert. Wirst du versuchen, dich bei mir zu melden?«
    »Natürlich, wie könnte ich da widerstehen? Wenn ich eine Telefonzelle finde.«
    »Ach, die gibt’s da draußen unter jedem zweiten Eukalyptusbaum.«
    Er schloss sie noch einmal fest in die Arme, und sie küssten sich leidenschaftlich, doch dann hörten sie das Brummen des Helikopters. Julian traf die Vorbereitungen für den Start und ließ bereits den Motor warm laufen.
     
    »Vielen Dank Ihnen beiden, dass ich hier sein durfte. Es war ein ganz wundervolles Erlebnis«, verabschiedete sich Susan von Ian und Ellen. Ian strahlte. Susan umarmte Ellen, was die ältere Frau zu überraschen schien.
    »Danke, Susan. Es war schön, Sie hier bei uns zu haben. Ich hoffe, Sie haben noch eine angenehme Reise.«
    Hinter dieser Bemerkung schien mehr zu stecken.
    »Passen Sie auf, dass Sie nach Ihrer Stammeserfahrung den Weg zurück in die Stadt finden«, sagte Ian Frazer grinsend.
    »Ich lasse Sie wissen, wie es mir ergangen ist«, sagte sie lächelnd. Dann nahm Andrew sie beim Ellbogen und brachte sie zum Helikopter. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss und kletterte an Bord, während er nach vorne rannte und seinem Bruder grünes Licht gab.
     
    Julian vergewisserte sich, dass sie angeschnallt war. »Das hat ja gut gepasst. Ich wollte ohnehin nach Kununurra. Es wird ein ruhiger Flug. Gibt dir die Möglichkeit, noch einen Blick aufs Land zu werfen.«
    Andrew und seine Eltern wurden kleiner und kleiner, dann drehte der Hubschrauber nach Westen ab, über rote Erde und karge Bäume hinweg, in deren Schatten gelegentlich die braunen Umrisse von Rindern zu sehen waren. Das Wasser des Stausees glitzerte in der Sonne, dann tauchten unter ihnen die verstreuten Farbtupfer des Aborigine-Lagers auf.
    Schweigend flogen sie über die weite Landschaft mit ihren spektakulären Schluchten, dem ausgedehnten Buschland und den wandernden Schatten, während die Sonne an einem strahlend blauen Himmel aufstieg.
    Sie fragte sich, was die nächste Station ihrer Reise wohl bringen würde.

[home]
    Die Künstler
    A lan Carmichael lag in der gemütlichen Höhle seiner Bettdecke, während draußen der Regen gegen die Jalousien prasselte. Ein typischer Morgen in Melbourne: nasse, sich wiegende Sträucher, graues Licht, leise raunender Wind.
    Er hatte noch weniger Lust, aus dem Bett zu kriechen, als er schlaftrunken seinen vier Monate alten Sohn in den Armen wiegte. Das glucksende Baby steckte seine kleinen Hände in jede Öffnung, die sich erforschen ließ. Winzige Fingerchen bohrten sich in die Nase seines Vaters, in die Winkel seiner zusammengekniffenen Augen, die Ohren, zogen an Augenbrauen und zwängten sich zwischen seine lächelnden Lippen.
    Alans Frau Annie erschien auf der Türschwelle. »Wie lange wirst du diesmal fortbleiben?«
    »Länger. Zuerst geht’s nach Bungarra, dann zurück nach Kununurra, wo ich Beth Van Horton treffe. Sie will, dass ich mit ihr nach Marrenyikka weiterfahre, zusammen mit einer Gruppe von Leuten, die sie versammelt hat. Daniel Ardjani ist offenbar bereit, uns die Höhlenkunst der
wandjina
und andere heilige Plätze zu zeigen – vorausgesetzt, wir gelangen dorthin. Es ist Jahre her, dass die Hüter der Barradja-Kunst dort gewesen sind.«
    »Weshalb?«
    »Die Stätten liegen auf Pachtbesitz. Den Pastoralisten dort gefällt es nicht, wenn die Aborigines ihr Land betreten.«
    Annie nickte verständnisvoll. Es schien immer irgendein Drama mit den weltabgeschiedenen Kunstreisen ihres Mannes verbunden zu sein. Sie wünschte, sie hätte die Zeit, ihn zu begleiten, aber sie hatte genug mit dem Kind und mit der Boutique zu tun, die sie in der Collins Street führte. Sie blickte ihren Mann an, der sich wieder unter die Decke kuschelte und ihrem Sohn Grimassen schnitt. Schon jetzt war der Kleine eine Miniaturausgabe seines Vaters, doch Annie wusste, dass die Ähnlichkeit nicht mehr zu erkennen wäre, sobald Alan von seiner

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