Im Licht der roten Erde
Vorgarten arbeiteten. Sie schwatzten und lachten, während sie ihre Leinwände bearbeiteten. »Meine Damen, das ist Susan. Und das hier sind Rosie, Queenie, Ignatia und Jeannie.« Die älteren Frauen rückten auf, so dass Susan sich aufs Bankende quetschen konnte. Sie trugen formlose Kleider über den fülligen Körpern, die feinen Haare waren von grauen Fäden durchzogen, ihre zu einem Lächeln verzogenen Lippen entblößten Zahnlücken. Die Wärme in ihren Gesichtern und Augen und die freundlichen Stimmen hießen Susan willkommen.
»Setz dich, setz dich hierher, Mädchen. Komm und sag den alten Damen hallo«, forderte Queenie sie auf, und die anderen kicherten.
Rosie winkte Susan zu. »He, bist du Alans Freundin?«
»Um Himmels willen, nein. Ich habe ihn heute erst kennengelernt.«
»Dann bist du heute seine Freundin, hm? He, Alan, du bist ja von der ganz schnellen Sorte!«, rief Queenie, und Alan grinste.
»Ihr Mädels hört auf zu tratschen und malt lieber«, rügte Judy, dann rief sie: »He, Max, mach mal eine Kanne Tee!«
Susan betrachtete die abgearbeiteten Hände der Künstlerinnen, die geschickt Pinselstriche und Punkte ausführten und dabei ihr Geschnatter fortsetzten. Die Männer schienen lieber allein zu arbeiten, konzentriert saßen sie abseits der Gruppe. Gelegentlich rief einer von ihnen einen anderen herbei, damit dieser seinen Kommentar abgab. Einer der Männer vollendete ein Bild, stand steif auf und trat zurück, um es zu betrachten, dann ging er hinüber zu Alan. Susan beobachtete, wie Alan die fertige Arbeit studierte, und sie sah, wie der Maler wiederum ihn verstohlen im Blick behielt. Dann drehte sich der Kunsthändler zu dem Aborigine um und nickte. »Es ist gut, Charlie. Willst du mir die Geschichte dazu erzählen?«
Alan und Charlie setzten sich, die noch feuchte Leinwand vor ihnen. Der Künstler deutete auf jede Linie, jeden Bogen und jeden Fleck und erläuterte seinen Sinn und seine Bedeutung. Alan machte sich Notizen. Max kam mit einer Videokamera vom Haus herüber und filmte das Gemälde und seinen Schöpfer.
»Machen Sie das bei jedem Bild?«, erkundigte sich Susan, als Judy Tassen, ein Milchkännchen, Teebeutel, eine Kaffeekanne und eine große Schüssel Honig auf einem Tisch in der Nähe des Feuers verteilte.
»Aber sicher doch. Alan bekommt eine Kopie, wenn er das Bild mitnimmt. Max wird außerdem ein Foto davon machen und es oben im Computer einscannen, wo es dokumentiert wird.«
Susan blickte an der Bruchbude von Haus hinauf, das alles andere als der geeignete Ort zu sein schien, eine Kunsthandlung und einen Computer zu beherbergen. Judy bemerkte ihren Gesichtsausdruck und kicherte. »Arbeiten, die hier angefertigt werden, landen womöglich in den Top-Galerien in Übersee. Wir müssen ihre Entstehung belegen, weil einfach zu viele Billigplagiate kursieren. Diese Leute zählen zu den besten im ganzen Land«, sagte sie stolz.
»Und Alan vertritt sie?«
»So ist es. Er ist der anständigste Kunsthändler in Australien, und gleichzeitig versteht er am meisten von alldem hier. Ich mag diese hochtrabenden Akademiker und Galeristen nicht. Zum einen sind sie Snobs, und dann wollen sie auch noch den Ruhm einstreichen, der diesen Leuten hier zusteht.« Sie gab dem alten Charlie einen Klaps auf die Hand, als dieser nach dem Honig griff. »Du trinkst deinen Tee ungesüßt. Du hast schon zu viel Zuckerzeug gehabt, deine Diabetes macht sonst wieder Ärger.«
Charlie zuckte die Schultern und grinste Susan an, dann biss er in einen Keks. »Hüte dich vor dieser alten Schachtel, sie ist knallhart.«
»Worüber du besser froh sein solltest«, gab Judy zurück und schenkte Tee in die Tassen.
Ein Geländewagen und ein Ford Fairlane hielten am Tor und spuckten Familienmitglieder und Freunde aus. Kleine Kinder rannten auf die alten Frauen zu, die jungen Mütter und Männer traten zu den Grüppchen rund ums Feuer. Bald waren die jüngeren Frauen oben in der Küche damit beschäftigt, Salat, Kartoffeln und Platten mit Fleisch herunterzubringen. Alan plauderte mit den alten Damen, die ihre halbfertigen Werke wegräumten, um Platz fürs Abendessen zu schaffen.
Mittlerweile senkte sich die Dämmerung herab, und Max stellte die Außenbeleuchtung an. Stühle wurden auf den Vorplatz getragen, wo Judy Zwiebeln und Fleischstücke auf den Grill warf. Unauffällig führte Alan Susan in dem provisorischen Atelier herum. »Manche dieser Stücke sind sehr gut. Rosie und Charlie leisten wundervolle
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