Im Licht der roten Erde
Expedition zurückkehrte: sonnenverbrannt, mit wucherndem Bart und zerzaustem Haar. Insgeheim war sie immer froh, wenn er nach ein paar Tagen wieder normal aussah.
Es war ein träger Spätvormittag am Flughafen von Kununurra. Susan saß zwischen plaudernden Passagieren in der angenehmen Kühle der Flughafenlounge. Nach ihrem Abschied von Julian hatte sie die vergangenen zwanzig Minuten damit zugebracht, auf die Taxis zu warten, die jetzt eintrafen, um die Passagiere des Ansett-Fluges von Melbourne über Broome in Empfang zu nehmen, die nicht von Freunden oder Verwandten abgeholt worden waren. Sie stand auf, reihte sich in die Schlange ein und blickte über die Schulter. Der Mann hinter ihr lächelte sie an. Er deutete auf das Buch, das sie gerade zuklappte:
Bilder der Kraft, Aborigine-Kunst aus der Kimberley,
herausgegeben von Judith Ryan für die Nationalgalerie von Victoria.
»Sie interessieren sich für Felsmalerei?«, fragte er.
»Ja, aber ich weiß nichts darüber, also dachte ich, ich mache ein paar Hausaufgaben, bevor ich sie mir ansehe. Nun, zumindest hoffe ich, dass ich welche zu sehen bekomme. Und Sie?«
Er zuckte bescheiden die Schultern. »Das ist mein Beruf. Ich bin Kunsthändler. Alan Carmichael.«
»Susan Massey. Dann kaufen Sie also die Werke der Künstler hier oben?«
»Es ist ein heikles und unberechenbares Geschäft. Im Grunde vertrete ich exklusiv die Arbeit einer bestimmten Gruppe, außerdem fördere ich neue Talente und picke mir die Bilder heraus, die ich für wertvoll halte. Ich handele nur mit Qualität.« Er grinste. »Und was machen Sie hier?«
»Ich begleite eine Gruppe zu einem Aborigine-Reservat.«
»Gemeinsam mit Beth Van Horton?«
»Ja, woher wissen Sie das?«, fragte Susan.
»Es ist nicht so leicht, die Erlaubnis zu bekommen, sich an einem so abgeschiedenen Ort wie Marrenyikka aufzuhalten. Aber Beth arbeitet mit den Barradja. Ich bin bislang nur in dem dortigen Städtchen, Marrenjowan, gewesen. Marrenyikka ist während der Trockenzeit das Winterlager der Barradja-Gemeinschaft.«
»Dann kennen Sie Beth? Kommen Sie auch mit uns?«
»Ja. Ich bin früher angereist, weil ich vorher nach Bungarra fahren und mich mit einigen meiner Künstler treffen möchte. Ich denke nicht, dass der Rest von Beth’ Gruppe vor morgen eintrifft.«
»Das ist richtig. Ich habe einen Abstecher gemacht und einen Freund besucht. Außerdem wollte ich früh genug da sein, um ein paar Campingsachen zu kaufen. Die Läden in Balmain hatten nicht viel Auswahl an Outback-Survival-Ausrüstung. Ich bin zum ersten Mal hier draußen.« Susan konnte die Aufregung in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
»Ein Stadt-Cowgirl, hm?«
»Rechtsanwältin. Ich nehme mir eine Auszeit. Beth habe ich kennengelernt, als ich vor kurzem einen Freund von ihr vor Gericht vertreten habe – und da bin ich. Kennen Sie sie gut?«
»So einigermaßen. Wir haben häufig Kontakt, weil viele der Künstler, mit denen ich arbeite, Barradja sind. Sie hat ein paar von deren Ausstellungen in Melbourne besucht. Eine äußerst interessante Frau.«
»Sie bezeichnet sich selbst als ›Kulturvermittlerin‹.«
»Ich schätze, es gibt nicht viele Jobbezeichnungen für das, was sie versucht: eine Kultur für eine andere zu übersetzen. Die Barradja vertrauen Beth, lassen sie für sie sprechen. Sie sagt, Ardjani habe einen Plan, der der Zukunft dieses Landes diene, und sie sieht ihre Aufgabe darin, ihm dabei zu helfen, eine Brücke zur Versöhnung zu schlagen.«
»Ich bin gespannt darauf, diesen Ardjani kennenzulernen.«
»Sind Sie deshalb mit auf diese Reise gekommen?«, fragte Alan und öffnete die Tür von Susans Taxi. »Haben Sie etwas dagegen, dass ich Sie in die Stadt begleite, wenn ich ohnehin mit Ihnen reisen werde?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, rannte er um den Wagen herum und stieg auf der anderen Seite ein, dann nannte er dem Fahrer ihr Motel. Er grinste über ihren überraschten Blick. »Beth hat die Gruppe dort untergebracht. Wissen Sie denn, wer sonst noch kommt?«
»Es ist eine interessante Mischung – ein pensionierter Richter, ein Kronanwalt, eine Freundin von mir, die als Rundfunkjournalistin arbeitet, und ein bekannter Aborigine-Schauspieler.«
»Sorgen Sie dafür, dass Ihre Freundin mit Beth bespricht, was sie aufzeichnen kann und was nicht. Die Barradja sind sehr empfindlich. Sie haben strenge Regeln, wie Sie vermutlich wissen.«
»Nein, das weiß ich nicht. Meine Kenntnisse sind eher dürftig, was das
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