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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Arbeit. Genau wie der alte Jack.«
    »Das sieht alles so lässig aus, so ungezwungen; schwer zu glauben, dass diese Bilder in renommierten Galerien und Sammlungen landen werden. Kaufen auch ganz gewöhnliche Leute solche Stücke?«
    »Judy hat einige an der Hand. Manche Leute, die Kunst sammeln, wissen, dass sie hierherkommen müssen, aber ich darf immer den ersten Blick darauf werfen. Man bekommt ein gutes Gemälde für ein paar tausend Dollar. Die Aborigines hier arbeiten gern in der Gruppe, unter dem Haus ist es kühl, Max und Judy kümmern sich um ihren Bedarf, geben ihnen Mittag- und Abendessen, und die Umgebung tut ein Übriges. Außerdem gibt einen ziemlichen Wettstreit darum, welches Werk gut ist.«
    »Kopieren sie nie die Ideen der anderen?«
    »Das brauchen sie nicht. Jeder hier, egal, ob Mann oder Frau, hat seine eigene Geschichte, sein Land und sein
dreaming.
Zwar gibt es Varianten eines Themas, aber jedes Bild ist einzigartig.«
    »Ihre Malweise unterscheidet sich so sehr von unserer. Es gibt keine Perspektive, und auf gewisse Art wirkt sie sehr simpel: Dies ist, was es ist, und das ist das«, sagte Susan, die niemals Kunstwerke wie diese gesehen hatte. Sie kannte Röntgen-Kunst und Punktmalerei, doch das hier wirkte irgendwie so kultiviert und modern.
    »Gerade weil die Menschen hier Bekanntschaft mit westlicher Malerei gemacht haben, haben sie ihre eigene Art des Geschichtenerzählens entwickelt. Sie versuchen nicht, den Westen zu imitieren, wie der alte Albert Namatjira das getan hat, sondern haben ihren eigenen Weg, das auszudrücken, was sie sagen möchten. Es ist, als würde man eine Fremdsprache lernen. Man betrachtet die Bilder, und sie kommen einem so naiv vor, so eindimensional, beinahe kindlich. Erst wenn man den Schlüssel dazu hat, erst wenn die Künstler einem ihr Werk erklären, fängt man an, den Sinn zu erkennen.«
    »Das ist wundervoll. Ich würde liebend gern eins besitzen«, seufzte Susan.
    »Oft geben die Leute Unsummen für Kunst aus und haben keine Ahnung, was sie überhaupt erworben haben«, sagte Alan. »Sie bezahlen nur für einen Namen oder für das, wovon sie glauben, dass man es zu Hause hängen haben sollte. Selbst Touristen, die billige Aborigine-Massenkunst kaufen, ahnen nichts von der grundlegenden kulturellen Bedeutung, die dahintersteckt.«
    »Wahrscheinlich weiß man so ein Werk erst richtig zu schätzen, wenn der Künstler es einem erklärt«, sagte Susan.
    »Ich denke schon«, stimmte ihr Alan zu.
     
    Aufregung machte sich breit, als ein weiteres Fahrzeug anhielt, und während Judy und Max den Männern Teller voll Steaks und Würstchen reichten, lächelte Alan und berührte Susans Arm. »Das ist ein seltenes Vergnügen. Der alte Mann ist hier. Lucky Dodds, einer der größten lebenden Maler Australiens. Er ist eine echte Persönlichkeit, Sie können sich glücklich schätzen, ihn kennenzulernen. Aufgrund seines Alters kommt er nicht mehr so viel herum wie früher.«
    Judy öffnete das kleine Tor, und zwei jüngere Frauen halfen dem Künstler aus dem Wagen. »He, Lucky. Kommst du zum Abendessen? Jetzt können wir ein Fest feiern.« Judy nahm seinen Arm, und Max schüttelte ihm die Hand.
    »Wie geht’s, Lucky? Hab dich schon mehrere Wochen nicht mehr gesehen, was hast du so getrieben?«
    »Ich war draußen im hohen Gras mit ein paar Mädels«, scherzte der Alte.
    »Das traue ich dem alten Knaben glatt zu«, sagte Alan zu Susan und lachte in sich hinein.
    »Red keinen Unsinn. Du hast doch flachgelegen mit deinem schlimmen Bein. Wie geht es damit?« Judy nahm seinen Arm, den anderen stützte er auf einen Gehstock. »Du setzt dich besser hin und isst etwas.« Als er auf den Vorplatz kam, war aller Aufmerksamkeit auf den legendären Künstler gerichtet, der schon in seinen Achtzigern sein musste. Er war klein und erinnerte mit seinem verschmitzten Lächeln an die Grinsekatze aus
Alice im Wunderland,
seine Augen funkelten wie Edelsteine in seinem zerknitterten Gesicht. Er trug ein Jeanshemd und hatte ein rotgemustertes Tuch um den Hals gebunden. Um seine schmalen Hüften schlabberte eine Jeans, die von einem Gürtel mit großer Silberschnalle gehalten wurde.
    Er wurde auf einen Stuhl gesetzt, und alle versammelten sich um ihn, brachten Sitzgelegenheiten herbei oder kauerten sich auf den Boden. Lucky schwenkte seinen Gehstock zu einem majestätischen Gruß. Als er Susan entdeckte, winkte er sie nach vorn. Alan begleitete sie. Der alte Mann strahlte und breitete die Arme

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