Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
aufnehmen?«
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte Susan.
    »Mit mir? Vergessen Sie nicht, ich bin eine ehemalige Nonne. Ich bin diejenige, die Schwierigkeiten mit Folgsamkeit und Demut hatte.«

[home]
    Die Reise
    S ie machten es sich auf ihren Sitzen bequem, reichten ab und zu Obst oder Süßigkeiten herum, während das Spätnachmittagslicht die Umrisse der Landschaft veränderte. »Sehen Sie, Tochter Sonne hängt in einer Astgabel – das Zeichen für Jäger und Kinder, vor Einbruch der Dunkelheit ins Lager zurückzukehren«, sagte Beth.
    Sie wandte sich an die beiden Frauen. »Sie können erkennen, warum die Barradja behaupten, die Erde sei weiblich: Die Felsen, diese kleinen Hügel, das ganze Land um uns herum ist wie der üppige Körper einer Frau, wie geschwungene Schenkel und Hüften und anschwellende Bäuche. Schauen Sie mal, diese
boab-
Bäume …«
    »Ich würde gern ein Foto machen«, fiel ihr Veronica ins Wort.
    Billy war froh, seine Beine ausstrecken zu können, und hielt in der Nähe einer Gruppe junger
boabs
an. Die seltsamen, flaschenförmigen Bäume mit dem bauchigen Stamm und der glatten grauen Rinde reckten ihre knorrigen, verzweigten, nur spärlich mit Blättern bestückten Äste in die Luft. In einiger Entfernung stand ein gewaltiger Baum allein da.
    Susan stellte sich neben diese füllige Schönheit, damit Veronica knipsen konnte. »Sind sie voll Wasser?«, fragte sie Beth.
    »Sie verlieren ihre Blätter in der Trockenzeit und speichern Feuchtigkeit in ihrer faserigen Rinde.
Boabs
können mehrere tausend Jahre alt werden und an der Basis, die nicht selten hohl und sanft geädert ist wie ein Mutterleib, einen Umfang von sechzehn Metern erreichen. Diese Bäume sind in allen Entwicklungsstadien weiblich – hier stehen Heranwachsende, und dieser Einzelne dort ist zu voller Weiblichkeit gereift.«
    »Haben die Hüter des Gesetzes früher nicht Aborigines in den Stämmen großer
boabs
eingesperrt, wenn ihnen kein besserer Ort einfiel?«, fragte Mick, dem ein vages Bild aus einem Buch mit frühen Fotografien von Aborigines des Biologen Walter Baldwin Spencer in Erinnerung kam.
    »Manche Leute behaupten, man habe sie einfach außen angekettet, doch wenn man sie in den Baum gesperrt hat, hat man sie härter bestraft als geahnt«, antwortete Beth. »Einen Krieger in den Bauch einer Frau einzusperren brachte Schande über ihn. Viele sind gestorben, wenn sie wieder freigelassen wurden, nicht weil man ihnen die Freiheit genommen hatte, sondern die Würde.«
    »Das ist eine interessante Perspektive, wenn man die Todesrate der Schwarzen in Haftanstalten bedenkt, Mick«, sagte Alistair. Der Richter neben ihm bückte sich und sammelte die dicken braunen Nüsse auf.
    »
Boab-
Nüsse«, erklärte Billy. »Die Ureinwohner schnitzen komplizierte Muster und Bilder hinein. Ich habe eine solche Nuss vor ein paar Jahren in Alice Springs gekauft.«
    »Das ist eine beliebte Art und Weise, Geld an den Touristen zu verdienen«, sagte Alan. »Die Qualität dieser Kunstwerke weist beträchtliche Unterschiede auf, aber sie geben ein ansprechendes Souvenir ab. Einer der Rindertreiber auf der El-Questro-Station bewirkt wahre Wunder mit seinem Taschenmesser, hervorragende Arbeit. Die mit den traditionellen Mustern verkaufen sich am besten.«
    Susan und Veronica taten es Mick gleich und hoben ein paar von den harten, faserigen braunen Nüssen auf.
    Beth und Billy beugten sich über die Karte. Billy machte sich Sorgen wegen des schwindenden Lichts und der Vorstellung, sich nach Orientierungspunkten wie »merkwürdig geformte Bäume« oder »kaputter Grenzzaun« richten zu müssen.
    »Hier wäre es möglich, eine Abkürzung zu nehmen.« Er deutete auf eine freie Stelle auf der Landkarte. »Aber ich durchquere nur ungern nicht verzeichnetes Gebiet, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Sieht so aus, als gehörte es zur Eagle-Rock-Station.«
    »Scheiß drauf, wenn es uns Zeit spart. Wie sollen die das schon erfahren? Das Wohnhaus muss doch meilenweit von der Piste entfernt sein«, preschte Mick vor.
    Billy blickte ein wenig zweifelnd drein, doch er entschloss sich, die Chance zu nutzen.
     
    Sie bogen falsch ab, was, wie sich herausstellte, gar nicht gut war. Die abendliche Dämmerung senkte sich bereits wie eine weiche, alles umhüllende Decke herab, als Beth meinte, die Abzweigung zu erkennen – eine kaum markierte Piste, die sie an die Grenze zu Marrenyikka bringen sollte, sich aber plötzlich in weichem Morast verlief. Billy

Weitere Kostenlose Bücher