Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
diejenige, die gewöhnlich als Erste gelernt wird und als Letzte verloren geht. Ist das zutreffend?«
»Ich schätze, ja, wenn du von einer bestimmten, greifbaren Form sprichst, einer, die Lenkung, Konzentration, Kontrolle erfordert.« Sie rutschte auf dem Sofa herum, weil ihr plötzlich heiß und unbehaglich war. »Mia kann solche Dinge besser erklären als ich. Ich habe schon lange nicht mehr darüber nachgedacht. Sie dagegen hört nie auf, sich damit zu befassen.«
»Das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb es ihr leichter fällt, die Kontrolle zu behalten und die Sache mit philosophischer Gelassenheit zu sehen.« Er zündete ein langes Streichholz an, hielt die Flamme an das Anmachholz. »Deine Kräfte sind eher, ich weiß nicht, explosiv, während ihre konzentrierter sind, mehr zielgerichtet.«
Er erhob sich, als die Flammen über die Scheite zu züngeln begannen, und wischte sich die Hände an seinen Jeans ab. »Ich überlege immer noch, wie ich auf das zu sprechen kommen soll, was ich dir sagen möchte.«
Eine Schar Spatzen bombardierte ihren Magen im Sturzflug. »Du könntest es ganz einfach sagen.«
»Ich kann so was besser, wenn ich mir eine Einleitung überlegt habe.« Er lächelte leicht, als er sich bückte, um den Wein einzuschenken. »Ich hatte mir das gestern schon alles ziemlich gut zurechtgelegt. Aber als ich dich dann heute Abend auf der Lichtung gesehen habe, habe ich bis zu einem gewissen Grad begriffen, was du durchgemacht hast, was du fühlst … und dann ist da noch diese Sache mit vorhin, als wir zusammen gewesen sind. Du und ich.«
Er setzte sich neben sie, reichte ihr das Weinglas, dann berührte er zart ihren Handrücken. »Ich möchte dir sagen, dass es für mich noch nie so gewesen ist wie mit dir. Noch mit keiner anderen Frau.«
In ihrer Kehle stiegen Tränen auf, und zum ersten Mal in ihrem Leben fand Ripley den Geschmack der Tränen schön. »Für mich ist es anders.«
Er nickte, fühlte einen kleinen Stich im Herzen, da er ihre Bemerkung so interpretierte, dass sie Intimität auf Grund dessen, was sie war, anders erlebte als er. »In Ordnung. Also, was ich zu erklären versuche, ist, dass deswegen, weil …«, er strich sich nervös mit der Hand durchs Haar, »… weil du mir etwas bedeutest, weil das, was zwischen uns ist, wichtig für mich ist und den Rest ein bisschen komplizierter macht.
Ich schätze, ich mache mir Sorgen, dass du womöglich denkst – besonders nachdem ich dir den Rest erzählt habe –, du wärst mir nur wegen meiner Arbeit wichtig. Aber so ist es nicht, Ripley. Du bedeutest mir wirklich etwas.«
Alles in ihrem Inneren glättete sich, so wie Seide, die von einer liebevollen Hand glatt gestrichen wurde. »Das denke ich ganz bestimmt nicht. Wenn ich das dächte, dann wäre ich nicht immer noch hier bei dir. Dann würde ich gar nicht mehr hier sein wollen, aber das will ich.«
Mac nahm ihre Hand, und als er seine Lippen in ihre Handfläche drückte, überlief sie ein warmes, köstliches Prickeln, das sich langsam an ihren Zehen bis zu ihrer Kehle hinauf ausbreitete. »Mac …« In diesem Moment hätte sie wie Wachs dahinschmelzen können.
»Ursprünglich hatte ich vor, es zuerst Mia zu sagen, aber ich möchte es dir sagen.«
»Ich … du … Mia?«
»Theoretisch ist sie die Hauptverbindung. Aber es ist sowieso alles miteinander verknüpft. Außerdem ist mir klar geworden, dass ich es dir als Erster sagen muss.« Er küsste abermals ihre Hand, diesmal etwas geistesabwesend; dann trank er einen Schluck von seinem Wein wie jemand, der seine Kehle befeuchtete, bevor er zu einem langen Vortrag ansetzte.
Ripleys romantische Stimmung begann an den Rändern auszufransen. »Ich finde wirklich, du solltest es einfach ausspucken, Mac, ohne dieses lange Drumherumgerede.«
»Okay. Also, jede der drei Schwestern hatte Kinder. Einige blieben auf der Insel, andere gingen fort, um niemals zurückzukehren. Und wieder andere reisten, heirateten und kehrten dann auf die Insel zurück, um eine Familie zu gründen. Ich nehme an, du weißt das alles und auch, dass ihre Kinder das Gleiche taten und dass sich dieses Muster durch die Generationen hindurch fortgesetzt hat. Folglich sind einige
ihrer Nachkommen immer auf der Insel geblieben. Aber andere waren über die ganze Welt verstreut.«
»Ich weiß nicht, worauf du eigentlich hinauswillst.«
»Vielleicht wäre es besser, wenn ich es dir zeigen würde. Warte einen Moment.«
Mit zu Schlitzen verengten Augen
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