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Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Licht der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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vergessen. Ich wollte ihm nur die Hand schütteln. Er kommt hierher, um mich zu besuchen. Er kommt zu mir, um sich mit mir zu unterhalten.«
    »Wir wollten uns nur voneinander verabschieden«, erklärte Harding, und selbst er konnte hören, dass seine Stimme vor Zurückhaltung blechern klang. »Ich muss nämlich eine Reise machen und werde für eine Weile nicht mehr kommen können. Ich muss jetzt gehen.« Er erhob sich unsicher von seinem Stuhl. Zwischen seinen Augen hämmerte ein mörderischer Kopfschmerz.
    Remington hob ein letztes Mal den Blick. »Ich werde Sie wiedersehen.«
    »Ja, natürlich.«
    Remington ließ sich widerspruchslos hinausführen. Er hielt noch immer den Kopf gesenkt, schlurfte gehorsam in seine Zelle zurück. Aber in seinem Herzen blühte schwarzes, hämisches Vergnügen wie eine übel riechende Blume. Er hatte nämlich herausgefunden, dass in Wahnsinn Macht lag.
     
    Als Harding mit der Fähre unterwegs nach Three Sisters war konnte er sich kaum noch an seinen letzten Besuch bei Evan Remington erinnern. Das irritierte ihn, und er fragte sich besorgt, ob er sich womöglich irgendeine Krankheit zugezogen hatte. Sein ausgezeichnetes Gedächtnis für Details war eine seiner herausragendsten Fähigkeiten. Aber jetzt war ihm ein Ereignis, das noch nicht einmal acht Stunden zurücklag, nur
noch so verschwommen in Erinnerung, dass es wie eine bruchstückhafte Szene hinter beschlagenem Glas wirkte.
    Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, worüber er und Remington gesprochen hatten, nur noch daran, dass er ganz plötzlich unerträgliche Kopfschmerzen bekommen hatte. Sie hatten ihm derart zugesetzt, dass er gezwungen gewesen war, sich auf dem Vordersitz seines Wagens auszustrecken und zu warten, bis sich die Kälteschauer, der Schmerz und die Übelkeit wieder einigermaßen gelegt hatten, bevor er es gewagt hatte, loszufahren.
    Selbst jetzt genügte schon der bloße Gedanke daran, um ihn erneut am ganzen Körper zittern zu lassen. Die Tatsache, dass die See rau und stürmisch war und ein nadelscharfer Eisregen herabprasselte, war seiner gesundheitlichen Verfassung auch nicht gerade förderlich. Er musste sich im Inneren seines Wagens zusammenkauern und noch ein paar weitere Pillen gegen Seekrankheit herunterschlucken.
    Er hatte große Angst davor, dass er bei diesem Unwetter über das glatte, schwankende Deck rennen und sich in die wogende See würde erbrechen müssen.
    Um das zu verhindern, legte er sich erneut quer über die beiden Vordersitze und versuchte angestrengt, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Er begann die Minuten zu zählen, die es noch dauern würde, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
    Und darüber musste er wohl eingeschlafen sein.
    Er träumte von Schlangen, die unter seiner Haut krochen, eiskalten Schlangenleibern, die sich heimlich und leise in seinem Körper ringelten.
    Von einer Frau mit blauen Augen und langem, goldblondem Haar, die aufschrie – voller Schmerz und inständig flehend  –, als er wieder und wieder einen Stock schwang, um mit aller Kraft auf sie einzuschlagen.
    Jetzt ist sie still. Ganz still. Die Satansbrut.
    Von einem blauen Blitzstrahl, der wie ein Pfeil vom Himmel herabschoss und mitten in sein Herz hinein.
    Er träumte von Terror und Rache und Hass.
    Er träumte von einer schönen Frau in einem weißen Kleid, die sich weinend auf einem Marmorfußboden zusammenrollte. Und dann sah er sich selbst in einem dunklen nächtlichen Wald stehen und ein Messer an den schlanken, weißen Hals der Frau drücken. Und als es glatt und sauber ihre Kehle durchschnitt und ihr Blut auf seine Kleider spritzte, explodierte die Welt. Der Himmel spaltete sich, und die See riss ihren riesigen Schlund auf, um alle zu verschlingen, die sich gegen ihn verschworen hatten. Er wachte mit einem erstickten Schrei auf und schlug mit beiden Händen auf seinen Körper ein, wie um das zu töten, was in seinem Inneren herumkroch, was immer das auch war. Für einen Moment starrte er entsetzt in den Rückspiegel.
    Und Augen, die nicht seine waren, Augen, so farblos wie Wasser, starrten ihm aus dem Spiegel entgegen.
    Dann tutete die Fähre mit ohrenbetäubender Lautstärke, um das Einlaufen in den Hafen von Three Sisters anzukünden. Und die Augen, die ihm aus dem Spiegel entgegenstarrten, als er ein Taschentuch herauszog, um sich sein schweißfeuchtes Gesicht abzuwischen, waren rot gerändert, erschrocken und jetzt wieder seine eigenen.
    Hab mir wahrscheinlich nur

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