Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
jedenfalls immer von mir.« Mac hielt weiterhin ihre Hand, als sie zum Tresen des Cafés gingen.
»Zack hat gerade angerufen«, erklärte Nell. »Ihr habt einen höllischen Tag gehabt, nicht?«
»Das bringt unser Beruf nun mal so mit sich«, erwiderte Ripley. »Du kannst mir zwei große Kaffee zum Mitnehmen geben, und dann werde ich Zack einen davon aufs Revier bringen. Dieser Typ hier gibt eine Runde aus«, fügte sie hinzu und zeigte lässig mit dem Daumen auf Mac.
»Für mich bitte auch einen großen Kaffee, aber ich werde ihn hier trinken«, erklärte Mac. »Und … ist das da Apfelkuchen?«
»Richtig. Möchtest du ein Stück? Der Kuchen ist noch ofenwarm.«
»Ja, bitte.«
Ripley lehnte sich gegen den Tresen und ließ ihren Blick müßig durch das Café schweifen. »Ich sag dir wohl besser gleich jetzt, dass ich Mac zum Dinner zu uns nach Hause eingeladen habe und zum Übernachten.«
»Es gibt heute überbackene Hühnerfleischpastete zum Abendessen«, erklärte Nell.
Macs Augen leuchteten auf. »Hausgemachte Hühnerfleischpastete?«
Nell lachte, als sie Deckel auf die beiden Kaffeebecher zum Mitnehmen drückte. »Worauf du wetten kannst.«
Ripley beugte sich erneut üben den Tresen. »Wer ist dieser Typ der allein an dem Tisch dort hinten sitzt?«, fragte sie Nell leise. »Der mit dem braunen Pullover und den eleganten Stiefeln?«
»Ich weiß nicht. Es ist das erste Mal, dass er hier ist. Ich hatte den Eindruck, dass er im Hotel wohnt. Er ist vor ungefähr einer halben Stunde gekommen.«
»Hast du ihn angequatscht?«
Nell verdrehte die Augen, als sie ein großzügiges Stück von dem Apfelkuchen für Mac abschnitt. »Ich habe ein paar freundliche Worte mit ihm gewechselt, das ist alles. Er ist vor ein paar Tagen mit der Fähre rübergekommen, unmittelbar bevor das Sturmtief die Insel erreichte. Es ist nun wirklich nichts Ungewöhnliches, dass Leute vom Festland auf die Insel kommen, Ripley.«
»Das nicht, nein. Ich finde es nur merkwürdig, dass ein feiner Pinkel aus der Großstadt ausgerechnet um diese Jahreszeit herüberkommt. Es sind jetzt jedenfalls keine Geschäftsleute im Hotel. Aber egal.« Sie griff nach den beiden Kaffeebechern, die Nell auf den Tresen gestellt hatte. »Danke. Dann bis später«, sagte sie zu Mac, und sie hätte vielleicht seinen Kuss abgewehrt, wenn sie die Hände nicht voll gehabt hätte.
»Sei vorsichtig da draußen.« Er zog ihre Baseballkappe aus ihrer Jackentasche und setzte sie ihr auf den Kopf.
Harding beobachtete die beiden jungen Frauen am Tresen verstohlen hinter der Zeitung, die er aus dem Hotel mitgebracht hatte. Er hatte Ripley Todd nach den Fotos in seinen Unterlagen erkannt. Genauso wie er Nell auf Anhieb erkannt
hatte. Das erklärte aber nicht seine eigenartige Reaktion auf die beiden.
Er hatte erwartet, ein prickelndes, elektrisierendes Gefühl der Vorfreude zu empfinden, als er die Akteure auf der Bühne hatte antreten lassen. Stattdessen hatte er sich beim Anblick der beiden Frauen beinahe krank gefühlt. Eine Art wilder, ohnmächtiger Wut war urplötzlich in ihm aufgewallt, als er die Treppe zum Café hinaufgegangen war und Nell am Tresen hatte stehen sehen.
Er war gezwungen gewesen, sich hastig abzuwenden und sich hinter die Bücherregale zu verziehen, bis er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. Dort hatte er geschwitzt wie ein Schwein. Und hatte sich ausgemalt, wie er seine Hände um Nells Kehle schloss und zudrückte.
Die Heftigkeit und die Unerklärlichkeit seiner Reaktion hätten ihn beinahe veranlasst, auf dem Absatz kehrtzumachen und wieder zu gehen. Aber dann war der seltsame Moment wieder vorübergegangen, fast genauso schnell, wie er gekommen war. Und Harding hatte sich wieder an sein Ziel erinnert.
Die Story, das Buch. Reichtum und Ruhm.
Er war wieder in der Lage gewesen, mit seiner gewohnten Ruhe und Gelassenheit zum Tresen zu gehen und Lunch zu bestellen. Er wollte sich erst noch einen oder zwei Tage Zeit nehmen, um Nell und die anderen zu beobachten, bevor er versuchen würde, sie zu interviewen.
Er hatte bereits Zeit verloren. Während der ersten vierundzwanzig Stunden auf der Insel hatte ihm dieser Bazillus zu schaffen gemacht, den er sich anscheinend eingehandelt hatte, und er hatte kaum mehr tun können, als im Bett zu liegen und sich schweißgebadet durch lebhafte und sehr unangenehme Träume hindurchzukämpfen.
Aber am Nachmittag des zweiten Tages hatte er sich schon wieder besser gefühlt. War schon fast
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