Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
unbekümmert. »Ein paar. Ich weiß, wie es ist, wenn man in eine Richtung gedrängt wird, in die man nicht gehen will – oder in eine, in die zu gehen man noch nicht bereit ist.« In Ripleys Augen flackerte etwas, als sie ihr Glas absetzte. »Eltern sagen immer, sie wissen, was das Beste für einen ist«, fuhr er fort. »Vielleicht trifft das ja manchmal zu. Aber es spielt keine Rolle, wenn sie einen immer weiter bedrängen, bis sie einem sämtliche Wahlmöglichkeiten genommen haben.«
»Ist das der Grund, weshalb Sie mich heute Abend davonkommen lassen?«
»Das ist nur ein Grund. Ein anderer ist, dass ich mir ziemlich sicher bin, Sie werden Ihre Meinung ändern. Nun werden Sie nicht gleich schon wieder wütend«, sagte er hastig, als ihre Lippen schmal wurden. »Als ich auf die Insel kam, dachte ich, Mia wäre diejenige, mit der ich arbeiten müsste. Aber das war ein Irrtum. Sie sind diejenige – oder zumindest sind Sie’s in erster Linie.«
»Warum?«
»Das ist etwas, was ich gerne herausfinden möchte. In der Zwischenzeit haben Sie Ihre Wettschuld beglichen. Ich werde Sie jetzt nach Hause fahren.«
»Ich werde meine Meinung nicht ändern.«
»Dann ist es ja nur gut, dass ich viel Zeit zur Verfügung habe. Moment, ich hole nur eben Ihren Mantel.«
»Und ich brauche Sie nicht, um nach Hause zu kommen.«
»Wir können uns ja im Armdrücken messen, um diese
Frage zu entscheiden!«, rief er zurück. »Aber ich lasse Sie nicht im Dunkeln zu Fuß nach Hause gehen, und obendrein noch bei solch arktischer Kälte. Wo habe ich bloß Ihr Zeug gelassen?«
Ripley verdrehte die Augen. »Im Schlafzimmer.« Und da es einen Moment dauern würde, bis Mac wieder zurückkehrte, nutzte sie die Gelegenheit und flitzte um den Tisch herum, um seine Notizen durchzublättern. Sie zischte ärgerlich, als sie sah, dass seine Aufzeichnungen in Kurzschrift waren – oder in etwas, was sie für Stenografie hielt. Jedenfalls bestanden die Notizen aus lauter seltsamen Symbolen, Linien und Krakeln, die ihr überhaupt nichts sagten. Aber als sie die Zeichnung in der Mitte der einen Seite entdeckte, starrte sie mit offenem Mund darauf.
Es war ihr Gesicht – und auch noch ein verdammt gutes Porträt. Eine schnelle Bleistiftskizze, die ihr Gesicht von vorn zeigte. Sie sah … wütend aus, entschied sie. Und wachsam. Tja, auch damit hatte er Recht.
Es gab für sie überhaupt keinen Zweifel daran, dass sie vor MacAllister Booke auf der Hut sein musste.
Als Mac zurückkehrte, stand sie einen halben Meter vom Küchentisch entfernt, die Hände betont unschuldig in ihren Hosentaschen vergraben. »Konnte zuerst meine Schlüssel nicht finden. Ich begreife noch immer nicht so ganz, wie sie in das Waschbecken im Badezimmer gekommen sind.«
»Poltergeister?«, sagte Ripley liebenswürdig und brachte ihn damit zum Lachen.
»Schön wär’s. Ich scheine ganz einfach die Angewohnheit zu haben, einen Gegenstand nie zweimal an denselben Platz zu legen.« Er war bereits in seinen Mantel geschlüpft und wartete, bis Ripley ihre Weste angezogen und den Schal umgewickelt hatte.
Er hielt ihr ihren Mantel hin, und sie schüttelte den Kopf, als sie begriff, dass er ihr hineinhelfen wollte.
»Das ist etwas, was mir wohl ewig ein Rätsel bleiben wird. Was glaubt ihr Männer eigentlich, wie wir in unsere Mäntel kommen, wenn ihr nicht in der Nähe seid?«
»Wir haben keine Ahnung.« Amüsiert setzte er ihr ihre Kappe auf den Kopf, dann zog er ihr Haar durch die kleine Öffnung auf der Rückseite, so wie er sie es hatte tragen sehen. »Handschuhe?«
Sie nahm sie aus ihrer Tasche, zog spöttisch die Brauen hoch. »Wirst du mir die auch noch anziehen, Daddy?«
»Sicher, mein Schatz.« Aber als er danach greifen wollte, schlug sie seine Hand weg. Und grinste, bis ihr Blick auf die roten Striemen auf seinem Handgelenk fiel. Prompt wallten Schuldgefühle in ihr auf. Es machte ihr nichts aus, jemanden zu verletzen, wenn er es verdient hatte.
Aber nicht auf diese Weise. Niemals auf diese Weise. Dennoch, was sie angerichtet hatte, ließ sich zum Glück wieder rückgängig machen, selbst wenn das bedeutete, dass sie ihren Stolz herunterschlucken musste.
Mac sah die Veränderung in ihren Augen, als sie auf sein Handgelenk starrte. »Es ist nicht weiter schlimm«, begann er und zog seine Manschetten herunter.
»Für mich schon.« Sie machte sich nicht die Mühe zu seufzen, sondern griff wieder nach seinem Handgelenk. Ihr Blick schoss hinauf, hielt den seinen
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