Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
die Schwingtür hinter sich zuknallen.
8
Es gab nur eine Sache, die Ripley noch mehr hasste, als von einem schlechten Gewissen geplagt zu werden. Und das war das Gefühl, sich schämen zu müssen. Sie brauchte allerdings eine Weile, um bis an diesen Punkt zu kommen, da sie nicht der Typ war, der schnell aufbrauste und dessen Wut dann auch ebenso schnell wieder verrauchte. Sie steigerte sich in ihre Wut hinein und suhlte sich förmlich darin, genoss die Art, wie sie in ihrem Inneren kochte und brodelte und jeden klaren, rationalen Gedanken in Schach hielt.
Sie schwamm fast den ganzen Tag über auf dieser Woge des Zorns, und es fühlte sich gut an. Ganz einfach gut. Es verlieh ihr eine solche Energie, dass sie die liegen gebliebene Schreibarbeit im Revier im Rekordtempo erledigte und anschließend auch noch die Räume reinigte, obwohl Zack eigentlich damit an der Reihe gewesen wäre. Sie machte ihren Streifengang durch das Dorf und übernahm dann – noch immer ganz wild darauf, sich zu betätigen – freiwillig die Schicht ihres Bruders im Streifenwagen.
Sie fuhr kreuz und quer über die Insel, auf der Suche nach Ärger, nach einer Gelegenheit, ihre Wut abzureagieren.
Als sich diese Gelegenheit partout nicht ergeben wollte, verbrachte sie eine Stunde zu Hause und drosch wie wild auf ihren Punchingball ein.
Dann begann allmählich die Vernunft durchzusickern. Sie hasste es, wenn das geschah. Denn dieses Rinnsal öffnete einen Spalt, und durch diesen Spalt konnte sie ihr eigenes Benehmen plötzlich mit erschreckender Klarheit sehen.
Sie hatte sich ausgesprochen dumm benommen, und das zu schlucken, fiel ihr schwer. Sie war im Unrecht gewesen und diese Einsicht war sogar ein noch größerer, noch schwerer verdaulicher Brocken. Sich wie eine Idiotin vorzukommen, war ein deprimierendes Gefühl, deshalb schlich sie in die Küche hinunter, als niemand in der Nähe war, und verdrückte drei von Nells Schokoladenbrownies.
Sie konnte kaum glauben, dass sie sich wegen eines Mannes überhaupt erst in solche Zustände hineingesteigert hatte. Nicht dass es Eifersucht gewesen wäre, dachte sie, als sie mit einem vierten Brownie liebäugelte. In diesem Punkt irrte Mac sich ganz gewaltig. Aber sie hatte überreagiert, hatte sich wie eine alberne Gans benommen.
Und, entschied sie, als sich die ersten unangenehmen Aufwallungen von Schuldbewusstsein in das Gefühl der Dummheit mischten, sie hatte Mac schäbig behandelt.
Sie hatte ihn scharf gemacht und dann eiskalt abserviert. Sie hatte keine Achtung vor Frauen, die Sex als Waffe oder als Bestechungsmittel benutzten. Oder als Belohnung, was das anbelangte. Aber sie hatte es im Grunde genauso gemacht, hatte Sex als Köder und Bestrafung benutzt. Und das erfüllte sie mit Scham.
Der Gedanke an die Art, wie sie sich im Fitnessstudio aufgeführt hatte, war derart niederschmetternd, dass sie sich auch noch Brownie Nummer vier einverleibte.
Selbst wenn Mac an Mia interessiert gewesen wäre – was er, davon war sie jetzt überzeugt, nicht gewesen war –, war er sein eigener Herr und konnte tun und lassen, was er wollte. Dass er sie Ripley, ein paar Mal geküsst hatte, bedeutete noch lange nicht, dass sie ein Exklusivrecht auf ihn hatte oder dass ihn diese Knutscherei zu Treue verpflichtete. Obwohl sie fest daran glaubte, dass man den Keks, an dem man zu knabbern begonnen hatte, erst einmal aufessen sollte, bevor man nach dem nächsten griff.
Aber das tat jetzt nichts zur Sache.
In diesem Fall ist es wohl das Beste, dachte sie, als sie ihren jetzt leicht verstimmten Magen rieb, gar nichts zu tun. Sich bedeckt zu halten, Mac nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen, jede persönliche Beziehung im Keim zu ersticken … obwohl es für das Keim-Stadium inzwischen wahrscheinlich schon ein bisschen zu spät war, wie sie zugeben musste.
Sie würden ganz einfach so tun, als ob nie etwas gewesen wäre.
Sie schlich wieder in ihr Zimmer hinauf, schloss sich ein und kam zu dem Schluss, dass sie gut daran tun würde, für die nächsten acht Stunden jeden menschlichen Kontakt zu meiden.
Sie konnte lange Zeit nicht einschlafen, aber sie führte das auf die Überdosis Schokolade zurück und betrachtete es als eine gerechte Strafe für ihre Missetaten.
Die Träume – als sie dann schließlich kamen – schienen diesmal schlimmer zu sein, als sie es verdient hatte. Der winterliche Strand war leer und verlassen. Die Einsamkeit legte sich wie schwere Ketten um ihr Herz. Der Mond war
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