Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
fertig gemacht, was?«
Zack warf seiner Schwester lediglich einen finsteren Blick zu. »Halt die Klappe.«
Noch immer lachend, rappelte Ripley sich vom Boden auf, während ihr Bruder und Lucy durch den hohen Schnee zur Rückseite des Hauses pflügten. Es geht doch nichts über eine ordentliche Schneeballschlacht, dachte sie, um düstere Gedanken zu vertreiben und alles wieder ins Lot zu bringen. Sobald sie den Gehsteig freigeschaufelt hatte, würde sie ins Haus gehen und versuchen, Nell versöhnlich zu stimmen.
Trotzdem hatte sie eigentlich angenommen, dass Nell ein bisschen mehr Sinn für Humor hätte. Was war schon ein bisschen Schnee unter Freunden? Ripley klopfte sich den Schnee von den Kleidern, griff wieder nach der Schaufel – und hörte dann plötzlich das gequälte Aufheulen, das laute, aufgeregte Gebell.
Sie packte die Schneeschaufel wie ein Schlagholz und rannte um die Seite des Hauses herum. Als sie um die Ecke stürmte, bekam sie eine volle Ladung Schnee ins Gesicht. Sie schnappte erschrocken nach Luft, und dabei schluckte sie unwillkürlich etwas von dem Schnee, verschluckte sich fast daran. Als sie ihn ausspuckte und sich das Gesicht abwischte, sah sie ihren Bruder, der bis zu den Schultern mit Schnee bedeckt war.
Und Nell, die mit einem selbstzufriedenen Lächeln und zwei leeren Eimern neben ihm stand. Sie hob sie erneut über Zacks Kopf und schlug sie aneinander, um jeden etwaigen Rest von Schnee auszuschütten. »Das«, sagte sie mit einem energischen Nicken, »war ein Reflex.«
»Junge, Junge.« Ripley versuchte, unter ihren Kragen zu fassen, wo Schnee in kalten, feuchten Tropfen über ihre Brust hinunterrann. »Sie ist wirklich raffiniert.«
Sie konnte sich ihre gute Laune den größten Teil des Tages
über bewahren. Ihre ausgeglichene Stimmung hätte vielleicht sogar noch länger angehalten, wenn Dennis Ripley nicht plötzlich zur Tür des Polizeireviers hereingeschlurft wäre.
»Sieh einer an, da ist ja mein Lieblingsdelinquent.« Da Dennis es fast immer schaffte, sie zu unterhalten, legte Ripley die Füße auf den Schreibtisch und lehnte sich zurück, bereit, die Show zu genießen. »Was gibt’s denn?«
»Ich soll mich bei dir entschuldigen, weil ich Ärger gemacht habe, und mich bei dir bedanken, dass du mich zur Schule zurückgebracht hast – und blabla.«
»Gott, Dennis.« Sie wischte sich eine imaginäre Träne aus den Augen. »Ich bin echt gerührt.«
Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. »Mom hat gesagt, ich müsste es tun. Ich musste zwei Tage nachsitzen, ich habe drei Wochen Hausarrest, und ich muss Aufsätze über Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit schreiben.«
»Aufsätze?« Ripley zog in einer übertriebenen Grimasse die Lippen zurück. »Das ist das Schlimmste, was?«
»Ja.« Er ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen und seufzte leidgeprüft. »Ich schätze, was ich gemacht habe, war ziemlich dämlich.«
»Das schätze ich auch.«
»Es bringt einfach nichts, die Schule zu schwänzen – im Winter«, fügte er mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen hinzu.
»Kein Kommentar. Was ist mit deinem Geschichtstest?«
»Ich hab ihn bestanden.«
»Tatsache? Das ist ja super, Den.«
»Na ja, er war doch nicht so schwer, wie ich gedacht hatte. Und Mom hat mich nicht zur Schnecke gemacht, wie ich befürchtet hatte – Dad auch nicht. Musste mir nur ’ne ellenlange Strafpredigt anhören.«
»O nein, bitte nicht!« Ripley tat ihm den Gefallen und
schauderte, was Dennis zum Grinsen brachte. »Keine Strafpredigt!«
»Ich kann das meiste davon in meinen Aufsätzen verwenden. Ich schätze aber, ich habe meine Lektion gelernt.«
»Da bin ich aber mal gespannt.«
»Na ja, abgesehen davon, dass man sorgfältiger planen sollte, damit man sich in den Wäldern nicht den Hintern abfriert, wenn man die Schule sausen lässt, ist es ganz einfach weniger mühsam, wenn man einfach tut, was man eigentlich tun sollte meistens jedenfalls.«
»Meistens, ja«, stimmte sie ihm lächelnd zu. Und weil sie ihn sehr gern hatte, stand sie auf, um ihm eine Tasse heißen Instantkakao zu machen.
»Und weil du mich gezwungen hast, hinzugehen und ganz offen zu sagen, was ich ausgefressen hatte, haben sie mich nicht in die Mache genommen, verstehst du? Dad hat gesagt, wenn man Scheiße gebaut hat, dann muss man auch dafür geradestehen und die Sache wieder in Ordnung bringen. Dann achten einen die Leute, und, was noch besser ist, man kann Achtung vor sich selbst
Weitere Kostenlose Bücher