Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
voll, sein Licht von einem kalten, harten Weiß, das sich über den Strand und die See ergoss. Es war so hell, dass es so schien, als könnte sie jedes einzelne Sandkörnchen, das in diesem Strahl glitzerte, zählen.
Das Rauschen der Brandung dröhnte ihr in den Ohren, ein monotones, unablässiges Geräusch, das sie daran erinnerte, dass sie allein war. Immer allein sein würde.
Verzweifelt warf sie die Hände hoch und schrie laut auf, von unerträglichem Schmerz und wildem Zorn erfüllt. Der Wind antwortete auf ihren Schrei und wirbelte die glitzernden Sandkörner hoch. Schneller. Immer schneller.
Energie schnitt wie ein Messer durch sie hindurch; ein Messer, so kalt, dass es brannte. Das Unwetter, das sie herbeirief, tobte und wütete, gewann immer mehr an Kraft, bis es das Licht jenes reinen weißen Mondes verdeckte.
»Warum tust du das?«
Sie wirbelte herum und sah ihre verlorene Schwester vor sich stehen. Goldenes Haar schimmerte, blaue Augen waren dunkel vor Kummer.
»Um der Gerechtigkeit willen.« Sie musste daran glauben. »Um deinetwillen.«
»Nein.« Diejenige, die Luft hieß, streckte nicht die Arme nach ihr aus, sondern stand ganz ruhig da, die Hände gefaltet. »Du tust es aus Rache. Aus Hass. Wir sollten das, was wir sind, niemals dazu benutzen, um Blut zu vergießen.«
»Er hat zuerst deines vergossen.«
»Und sollten meine Schwäche, meine Angst, eine Rechtfertigung für deine Schwäche und deine Angst sein?«
»Schwach?« Schwarze Magie brodelte in ihrem Inneren. »Ich bin jetzt stärker als je zuvor. Und ich habe keine Angst.«
»Du bist allein. Du hast denjenigen, den du liebtest, geopfert.«
Und sie konnte den Mann sehen, dem ihr ganzes Herz gehört hatte, sah ihn wie in einem Traum innerhalb des Traumes. Sie beobachtete ihn, beobachtete abermals, wie er von dem Blitzschlag ihres Zorns erschlagen wurde, wie er ihr und ihren Kindern durch die erbitterte Schärfe ihres eigenen Tuns entrissen wurde.
Die Tränen, die in ihren Augen schwammen, brannten wie Säure.
»Er hätte sich fern halten sollen.«
»Er hat dich geliebt.«
»Liebe ist etwas, was mich jetzt nicht mehr berührt.«
Luft hob flehend die Hände, Hände, die so weiß wie das blendend helle Mondlicht leuchteten. »Ohne Liebe gibt es kein Leben und keine Hoffnung. Ich habe das erste Bindeglied zwischen uns zerbrochen, und ich hatte nicht den Mut, es wieder zusammenzuschmieden. Jetzt zerbrichst du das zweite. Finde dein Mitgefühl wieder, leiste Wiedergutmachung für das, was du getan hast. Die Kette wird immer schwächer.«
»Ich würde nichts ändern.«
»Unsere Schwester wird auf eine harte Probe gestellt werden.« Luft trat einen Schritt auf sie zu, blickte sie beschwörend an. »Ohne uns wird sie vielleicht scheitern. Und dann ist unser Kreis ein für alle Mal zerbrochen. Unsere Kindeskinder werden dafür büßen. Ich habe es gesehen.«
»Du verlangst von mir, das aufzugeben, was ich gekostet habe? Was ich jetzt mit einem bloßen Gedanken herbeirufen kann?« Sie hob gebieterisch eine Hand, und die Meereswogen schwollen an und erhoben sich, um donnernd gegen die schimmernde Mauer aus Sand zu schlagen – tausend schreiende Stimmen. »Das werde ich nicht tun. Noch bevor ich hiermit fertig bin, werden sich jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, die uns verflucht haben, die uns wie Abschaum gejagt haben, in Todesqualen winden.«
»Dann verdammst du uns«, erwiderte Luft leise. »Und nicht nur uns, sondern auch alle, die nach uns kommen. Schau her. Und sieh, was passieren kann.«
Die Mauer aus Sand löste sich auf. Das tobende Meer wich zurück, für einen kurzen Moment mitten in der Bewegung erstarrt. Der Mond, so weiß, so rein, brach entzwei,
und aus dem Riss tropfte kaltes Blut. Grelle Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, schossen auf die Erde herab, um zu verbrennen und zu vernichten.
Flammen loderten hoch zum Himmel empor, angefacht von dem wilden und gierigen Sturm, sodass die Dunkelheit von Licht geblendet wurde.
Die Nacht verwandelte sich in einen einzigen langen, panikerfüllten Schrei, als die Insel vom Meer verschluckt wurde.
So beunruhigend der Albtraum auch war, es gelang Ripley, sich einzureden, dass er nur durch ihre Schuldgefühle und Nells im Übermaß genossene Brownies ausgelöst worden war. Bei Licht betrachtet, konnte sie die Angst, die er ihr verursacht hatte, abschütteln und ihre Energie dafür aufwenden, den neuen Schnee wegzuschaufeln, der über Nacht gefallen war.
Als Zack nach
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