Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
könnte nicht schaden, das einfach noch eine Weile so weiterlaufen zu lassen und mal abzuwarten, was dann passiert.«
»Vielleicht mache ich das. Vielleicht kann ich das. Aber ich habe auch herausgefunden, dass er mir immer einen Schritt voraus ist. Der raffinierte Bastard.« Ripley gab schließlich auf und setzte sich. »Ich glaube, ich bin in ihn verliebt.«
»Oh, Ripley.« Nell beugte sich vor und nahm Ripleys Gesicht in beide Hände. »Das glaube ich auch.«
»Ich will es aber nicht sein.«
»Ich weiß.«
Ripley seufzte abermals. »Woher weißt du so verdammt viel?«
»Ich habe genau das durchgemacht, was du jetzt gerade durchmachst. Und das ist noch gar nicht so lange her. Es macht einem Angst und ist aufregend zugleich, und es verändert einfach alles.«
»Mir haben die Dinge so, wie sie waren, ganz gut gefallen. Erzähl bloß Zack nichts davon«, sagte sie und verdrehte dann sofort die Augen. »Aber was rede ich denn da. Natürlich wirst du es Zack erzählen. Es ist doch schon ein ungeschriebenes Gesetz Aber sei so gut und warte damit noch ein paar Tage. Vielleicht komme ich ja schnell wieder drüber hinweg.«
»Okay.« Nell ging zum Backofen, um die Bleche auszutauschen. »Es könnte ja auch sein, dass ich einfach nur scharf auf ihn bin und dass mich das durcheinander bringt.«
»Könnte sein, ja.«
»Und falls die letzte Nacht irgendeinen Schluss zulässt, werden wir uns wahrscheinlich in zwei Wochen gegenseitig völlig kaputtgemacht haben. In maximal zwei Wochen.«
»So was kommt vor.«
Mit zu Schlitzen verengten Augen trommelte Ripley mit den Fingern auf den Tisch. »Wenn du vorhast, einfach nur dazustehen und dich über die arme Törin lustig zu machen, dann lass dir gesagt sein, dass ich auch anders kann! Ich gehe jetzt joggen.« Nell legte die Muffins zum Abkühlen auf das Rost und lächelte versonnen, als Ripley hinausstürmte. »Lauf du nur«, murmelte sie. »Ich wette, er fängt dich trotzdem.«
12
Obwohl er für kriminell und unzurechnungsfähig befunden wurde, hatte Evan Remington doch auch seine guten Tage. Er konnte – je nachdem, welche Bilder ihm gerade durch den Kopf wirbelten – bei ziemlich klarem Verstand und für kurze Augenblicke sogar charmant sein.
Es gab auch solche Momente – zumindest laut einer der Krankenschwestern, die Harding interviewt hatte –, in denen man den gewieften Intellekt erkennen konnte, der ihn schließlich zu einem der mächtigsten und einflussreichsten Männer von ganz Hollywood gemacht hatte.
An anderen Tagen wiederum saß er einfach nur da und faselte wirres Zeug vor sich hin.
Für Harding war er mittlerweile zu einer Faszination geworden, die beinahe schon an Besessenheit grenzte. Remington
war ein Mann im besten Alter, in jeder Hinsicht ein brillanter Kopf in der Unterhaltungsindustrie, einer, der schon mit Reichtum und Privilegien geboren worden war und der jetzt jedoch zu einem Nichts geworden war. Durch eine Frau.
Die Frau war ebenfalls faszinierend. Sie war eine stille, bedauernswerte kleine Maus – wenn man nach den Aussagen der meisten ging, die sie während ihrer Ehe gekannt hatten. Oder auch eine mutige Kämpferin, die einem Albtraum entronnen war – wenn man sich der populären feministischen Sichtweise anschließen wollte.
Harding glaubte keiner dieser Interpretationen. Er wollte nicht ausschließen, dass diese Frau möglicherweise etwas ganz anderes war.
Es gab so viele verschiedene Sichtweisen. Die Schöne und das Biest, vernichtet durch die Liebe, das Monster hinter der Maske. Es hatten sich schon wahre Berge voller Notizen bei ihm angesammelt, Berge von Tonbändern mit Interviews, Fotos, Kopien von polizeilichen und medizinischen Berichten. Er hatte sogar schon den Anfang eines groben Konzepts für das Buch, von dem er glaubte, dass es ihn sehr reich und sehr berühmt machen würde. Was er noch nicht hatte, zumindest momentan noch nicht, das waren solide, persönliche Stellungnahmen der Hauptfiguren.
Er war bereit, in deren Beschaffung eine Menge Zeit und Kraftanstrengungen zu investieren. Während er Nells Spur quer durch das Land verfolgte, Eindrücke gewann, Daten sammelte, flog er doch regelmäßig zurück, um Remington zu besuchen.
Und jedes Mal, wenn er das tat, wurde er noch entschlossener, noch ehrgeiziger, und eine unterschwellige Wut kam in ihm auf, die ihn verwirrte. Die Wut war noch schwach, doch sie kam immer wieder – und wurde jedes Mal stärker.
Ein Großteil seiner Reisekosten wurde durch sein
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