Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
dreißig Jahre alt.
Eine Perlenschnur, ungefähr aus dem gleichen Zeitalter, hing über dem Rückspiegel.
Anweisungsgemäß parkte Nell auf der Straße ein Haus weiter und trug ihre Lieferung zur Hintertür. Lulu risss sie auf, bevor Nell klopfen konnte.
»Komm schnell rein.« Lulu ergriff Nells Arm kurz überm
Ellbogen und zog sie rein. »Ich hab alle weggeschickt zu einem Spaziergang und nehme nicht an, dass sie vor zwanzig Minuten zurück sind. Vielleicht etwas länger, wenn ich Glück habe. Syl war schon immer eine Nervensäge.«
»Deine Schwester.«
»Meine Eltern behaupten das, aber ich habe meine Zweifel.« Lulu steckte ihre Nase in die Box, gleich nachdem Nell sie auf die Anrichte gestellt hatte. »Bei der Vorstellung, dass ich mit dieser aufgedonnerten, dämlichen, bescheuerten Pute verwandt sein soll, könnte ich Zustände kriegen. Ich bin achtzehn Monate älter, und im Unterschied zu ihr war ich in den sechziger Jahren praktizierender Hippie. Das erklärt alles.«
»Aha.« Nell konnte sich Lulu leicht als ehemaliges Hippie-Mädchen vorstellen, das für ein freies Leben und freie Liebe war. Zum Familienessen hatte sie ein Sweatshirt angezogen, auf dem stand, dass sie in den Wechseljahren und bewaffnet war. Eine faire Warnung, fand Nell.
»Hm. Aber es ist doch nett, dass ihr trotzdem noch Kontakt habt.«
»Sie kommt nur deswegen einmal pro Jahr hierher, um mich vollzulabern. Sylvia hört nicht auf, mir vorzupredigen, dass eine Frau erst dann eine richtige Frau ist, wenn sie einen Ehemann und Kinder hat, in irgendwelchen beschissenen Komitees sitzt und weiß, wie man aus einer Thunfischdose eine leckere Mahlzeit herstellt.«
»Das können wir spielend übertreffen.« Nell beeilte sich damit, den Braten in den Backofen zu stellen und ihn auf mittlere Hitze zu drehen. »Ich habe ihn in seinem eigenen Saft gelassen, du musst ihn also nur ab und zu damit begießen. Der Herbstsalat soll zuerst gegessen werden. Sag ihnen, dass sie Platz lassen sollen für die Kürbiskäsetorte.«
»Denen werden die Augen übergehen.« Lulu schenkte sich ein weiteres Glas Wein ein, das sie zur Stärkung brauchte. »Ich war mal verheiratet.«
Sie sagte es so grimmig und böse, dass Nell sich umdrehte und sie anstarrte. »Ach?«
»Keine Ahnung, warum ich ihn geheiratet habe. Ich war nicht bewusstlos oder so. Dämlich. Ich schätze, ich habe es aus Protest getan. Er war nicht gut – genauso nutzlos wie gut aussehend. Er hat nur geheiratet, damit er nachts irgendwo unterkriechen konnte, wenn er genug hatte vom Herumstreunen.«
»Es tut mir Leid.«
»Muss es nicht. War eine gute Lehre. Ich habe ihn vor fünfzehn Jahren rausgefeuert. Es stört mich immer nur dann, wenn Syl sich mit ihrem Mann brüstet – der nichts weiter als ein langweiliger Bürohengst mit einer fetten Wampe ist –, mit ihren Kindern – zwei schielende Teenager in Zweihundert-Dollar-Stiefeln – oder mit ihrem glorreichen Leben in der Vorstadt. Ich wäre lieber auf der Stelle tot, als in irgendeinem öden Haus am Stadtrand leben zu müssen.«
Da entweder der Wein oder die Begegnung mit ihrer Schwester Lulu redselig gemacht hatten, nutzte Nell die Gelegenheit. »Ihr seid also nicht hier aufgewachsen?«
»Verdammt, nein. In Baltimore. Ich bin weggezogen, als ich siebzehn war, bin direkt nach Haight-Ashbury gegangen. Ich habe eine Zeit lang in einer Kommune in Colorado gelebt, bin rumgereist, habe einiges ausprobiert. Als ich hierher kam, war ich noch keine zwanzig. Ich bin jetzt seit mehr als zweiunddreißig Jahren hier. Mein Gott.«
Sie spülte diese Vorstellung mit Wein runter und schenkte sich nach. Stieß einen Stoßseufzer aus und schüttelte den Kopf.
»Mias Großmutter hat mich gelegentlich beschäftigt, und als Mia geboren wurde, hat mich ihre Mutter hin und wieder als Kindermädchen engagiert. Carly Devlin ist eine nette Person, aber sie hatte nicht viel mit Kindererziehung am Hut.«
»Also hast du das übernommen. Das wusste ich nicht.«
Kein Wunder, dachte Nell, dass sie Mia immer beschützen wollte. »Lass deine Schwester denken, was sie will, du hast jedenfalls ein Wunschkind dadurch.«
»Verdammt richtig.« Sie nickte bekräftigend, dann setzte sie ihr Glas ab. »Mach du nur weiter hier, ich bin gleich wieder da.« Sie war schon auf dem Weg nach draußen, kehrte aber noch einmal um. »Wenn Syl, die Nervensäge, vor mir zurück ist, sag ihr einfach, dass du auch im Buchladen arbeitest und mich was fragen wolltest.«
»Kein
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