Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
willkommen war wie das Lieblingskind des Hauses. Plötzlich festzustellen, wie sehr sie das alles vermisste, machte ihr schwer zu schaffen.
»Benutzt du das Giebelzimmer noch?«, fragte sie Mia wie beiläufig, die gerade vor einem Regal stand und einen Rotwein auswählte.
Ihre Blicke trafen sich und tauschten Erinnerungen aus. »Ja. Einige deiner Sachen sind immer noch da«, antwortete sie und wickelte drei Gläser in weiße Leinentücher.
»Ich will sie nicht.«
»Sie sind trotzdem da. Und da du schon einmal hier bist, kannst du diesen Beutel tragen.« Sie machte eine entsprechende Handbewegung und griff nach dem zweiten Beutel, in dem die Gläser und der Wein waren.
Sie öffnete die hintere Tür, und Isis huschte hinaus. Das überraschte Nell, weil die Katze sich ihnen gewöhnlich nicht anschloss.
»Es ist eine besondere Nacht.« Mia stülpte sich die Kapuze
ihres Umhangs über, den sie sich über die Schultern gelegt hatte. Er war auch schwarz mit weinroten Streifen. »Sie fühlt es. Es ist kurz vor Samhain. Nell muss lernen, das Feuer zu entzünden.«
Ripleys Kopf schoss hoch. »Ist das nicht ein bisschen zu früh?«
Mia betrachtete nur den Mond, während sie vorwärts gingen. Er war nur noch ein schmaler Strich und bald wäre es vollständig dunkel. Die schmale weiße Sichel war umrundet von einer nebligen Schwärze, die dunkler als der Himmel war.
»Nein.«
Verärgert, dass Mia sie erneut verunsichert hatte, zuckte Ripley nur mit den Schultern. »Halloween. Die Toten kommen zurück. Die Nacht ist voller böser Geister und nur die Mutigen oder die Dummen wagen sich in die Dunkelheit.«
»Unsinn«, gab Mia leicht zurück. »Und es besteht kein Anlass, Nell Angst zu machen mit solchen Geschichten.«
»Das Ende der dritten und letzten Ernte des Jahres.« Nell atmete tief die Nachtluft ein. »Zeit, sich der Toten zu erinnern, den ewigen Kreislauf von Leben und Tod zu feiern. Und die Nacht, in der die Grenze zwischen Leben und Tod am fließendsten ist. Wahrlich keine negative Zeit, sondern eine des Neubeginns – und des Vergnügens. Und, natürlich, Mias Geburtstag.«
»Die großen Drei – und das auch noch an diesem Tag.«
»Sei nicht so snobistisch.« Der beißende Unterton in ihrer Stimme hatte nicht nur spielerischen Charakter. »Du hast selber Geburtstag in sechs Wochen.«
»Ja, aber du wirst immer die Ältere sein.«
Isis war schon in der Lichtung, saß ruhig wie eine Sphinx in der Mitte. Sie blinzelte einmal, ganz langsam, Gold zu Schwarz zu Gold.
»Wir haben einige Kerzen hier als Arbeitslicht. Du kannst sie auf die Steine stellen, Ripley, und anzünden.«
»Nein.« Sie steckte ihre Hände wild entschlossen in die Taschen ihrer Bomberjacke. »Deinen Trickbeutel zu tragen ist die eine Sache, aber mitmachen eine ganz andere.«
»Du meine Güte, du wirst dein Zauber-Zölibat schon nicht durchbrechen, wenn du mal ein paar Kerzen anzündest.« Mia entriss ihr den Beutel und marschierte zu den Steinen.
»Ich mache das«, murmelte Nell. »Ihr habt keinen Grund, euch gegenseitig übel zu nehmen, dass ihr das tut, was ihr wollt.«
»Warum bist du so wütend?« Ripley hatte ihre Stimme gesenkt und sich zu Mia gehockt, die in ihrem Beutel wühlte. »Sonst muss ich mich viel mehr anstrengen, damit dir etwas unter die Haut geht.«
»Vielleicht bin ich dieser Tage etwas dünnhäutig.«
»Du siehst müde aus.«
Mia hob ihre Augen. Feine Schatten lagen unter ihnen, die sie weder mit Make-up noch mit Zauberei verbergen konnte. »Ich bin müde. Es kommt etwas. Es rückt näher, immer näher. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch zurückhalten kann oder ob ich es überhaupt soll. Es wird Blut fließen.«
Sie griff nach Ripleys Handgelenk, hielt es fest. »Und Schmerzen geben. Furcht und Kummer. Und ich fürchte, dass es ohne den Bund der Drei auch Tod geben wird.«
»Wenn du dir dessen so sicher bist, es so fürchtest, warum hast du nicht nach jemand geschickt? Du kennst doch andere.«
»Es geht nicht mit anderen. Und du weißt das.« Sie warf einen Blick zurück auf Nell. »Vielleicht ist sie stark genug.«
Mia richtete sich auf, schlug ihre Kapuze zurück. »Nell. Jetzt der Kreis.«
Welche Gefühle sie auch immer erwartet hatte, mit dieser heftigen Sehnsucht, die sie durchfuhr, als sie das vertraute Ritual, die vertrauten Worte wahrnahm, hatte Ripley nicht gerechnet.
Sie hatte es aufgegeben, sagte sie sich. Sie hatte es ein für allemal aufgegeben.
Sie sah Zauberstab und Sichel
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