Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
ergriffen, bremste sie, hielt an und presste die Finger an die Schläfen.
Sie konnte sich sein Gesicht nicht vergegenwärtigen. Nicht deutlich. Wie war es möglich, dass sie sich nicht an seine Augenfarbe entsinnen konnte? Oder an den Klang seiner Stimme?
Sie stürzte aus dem Wagen, machte ein paar taumelnde Schritte. Was ging hier vor? Sie war auf dem Weg von Dublin zur nächsten Etappe ihrer Rundreise. Eine falsche Abzweigung. Ein Unwetter. Aber was …
Ohne nachzudenken, schritt sie auf den inzwischen überwucherten Pfad hinter dem Wagen. Und ihre Gedanken wurden glasklar.
Ihr Atem kam stoßweise. Sie drehte sich um, starrte auf den Wagen, den ordentlichen Weg davor, das unpassierbare Dickicht dahinter.
»Flynns Augen sind grün«, sagte sie laut. Jetzt sah sie sein Gesicht deutlich vor sich. Doch als sie einen zaghaften Schritt nach vorne machte, wurde ihre Erinnerung an ihn wieder verschwommen.
Diesmal trat sie sofort wieder zurück, gleich einige Meter. »Du willst, dass ich dich vergesse, was? Warum? Wenn ich dir so gleichgültig bin, wieso kümmert es dich dann, ob ich mich an dich erinnere oder nicht? Oder ob ich wegen dir Liebeskummer habe?«
Etwas zittrig setzte sich sie auf den Waldboden. Und machte das, was sie schon immer am besten konnte. Ihre Vernunft einsetzen. Nachdenken.
Flynn saß, wie in jener Nacht vor sieben Tagen, im Turmzimmer vor dem Kamin. Er hatte in die Flammen geblickt, bis Kayleen in ihren Wagen gestiegen war. Dann hatte er die Vision mit Rauch verhüllt, weil er den Anblick, wie sie fortfuhr, nicht mehr ertragen konnte.
Während er gelähmt vor Kummer dasaß, dachte er nicht an die verrinnenden Stunden. Er wusste nur, dass sich der Tag dem Ende zuneigte. Das schräg durch das Fenster hereinfallende Sonnenlicht hatte an Leuchtkraft und Stärke verloren.
Inzwischen würde sie jenseits der Grenze sein. Und ihn vergessen haben. So war es das Beste. Natürlich würde sie etwas verwirrt sein. Niemals eine befriedigende Erklärung für den Zeitverlust finden. Doch auch das würde sich irgendwann erledigt haben.
In ein, zwei Jahren, vielleicht auch in zwanzig, würde er wieder in das Feuer blicken und sehen, wie es ihr ging. Aber in seine Träume würde er sie nicht mehr einlassen, das würde das Maß des Ertäglichen übersteigen.
Sie würde durch das, was zwischen ihnen geschehen war, etwas verändert sein. Offener für Neues, für den Zauber des Lebens. Er hob die Perlenkette, beobachtete, wie die Perlen im Licht des sterbenden Feuers geheimnisvoll glühten. Wenigstens besaß er etwas, das mit ihr in Berührung gekommen war.
Die Perlen um die Finger gewickelt, vergrub er das Gesicht in den Händen. Er wünschte sich die Zeit herbei, wenn der Schmerz ihn nur noch im Geiste treffen könnte, wenn jede Sinnesempfindung verraucht war. Denn jetzt waren seine Sinne so geschärft, dass er sie noch immer
riechen konnte. Jenen weichen Duft, der flüsternd in der Luft hing.
»Es soll endlich Nacht sein«, murmelte er und hob den Kopf wieder.
Um gleich darauf aufzuspringen und zurückzuweichen. Sie stand keine drei Meter von ihm entfernt. Ihr Haar war zerzaust, ihr Kleid zerrissen. Kratzer bedeckten ihr Gesicht und ihre Hände.
»Welches Gaukelbild ist das nun wieder?«
»Ich habe noch einen Wunsch frei, den ich nun einfordere.«
»Was hast du getan?« Mit einem Satz war er bei ihr und packte sie grob an den Armen. »Wieso bist du verletzt? Sieh dich an! Deine Hände sind voller blutiger Kratzer und Schrammen.«
»Du hast mir Dornengestrüpp in den Weg gestellt.« Sie gab ihm einen Schubs, der ihn so unvorbereitet traf, dass er zwei Schritte nach hinten taumelte. »Du gemeiner Kerl! Es hat Stunden gedauert, mich da hindurchzukämpfen.«
»Stunden!« Er warf den Kopf zurück, als hätte er eine Ohrfeige erhalten. »Du musst gehen! Fort von hier! Jetzt! Wie spät ist es?« Er schob sie aus dem Raum, und da ihm das nicht schnell genug ging, packte er sie am Arm und zerrte sie hinter sich her.
»Ich werde nicht gehen! Nicht, bevor du dein Versprechen eingelöst hast.«
»Und ob du gehen wirst!« Panisch warf er sie über die Schulter und rannte los. Und während sie strampelte und um sich schlug, begann er zu fliegen.
Die Nacht brach herein. War die Zeit vorher gekrochen, raste sie nun. Er brachte Kayleen so tief in den Wald hinein wie er es riskieren konnte. Die Grenzen seines Kerkers schienen böse zu zischeln.
»Da.« Aus Angst um sie brach ihm der kalte Schweiß aus. »Dein
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