Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Wagen steht gleich da drüben. Steig ein und fahr los.«
»Warum? Damit ich nach wenigen Metern alles vergessen habe? Dich vergessen habe? Ich lasse mir meine Erinnerung nicht stehlen.«
»Ich habe keine Zeit, mich mit dir herumzustreiten.« Er nahm sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Es ist keine Zeit mehr. Wenn du beim letzten Schlag Mitternacht noch hier bist, wirst du in dieser Welt gefangen sein. Und hundert Jahre werden vergehen, ehe du dieses Gefängnis wieder verlassen kannst.«
»Und, wo liegt das Problem? Es gibt eine geräumige Burg. Einen großen Wald. Ich werde dir schon nicht im Weg sein.«
»Du verstehst nicht. Geh. Dieser Ort gehört mir, und ich will dich hier nicht haben.«
»Du zitterst, Flynn. Was ängstigt dich?«
»Ich habe keine Angst. Ich bin wütend. Du hast meine Gastfreundschaft ausgenutzt. Und jetzt weigerst du dich trotz meiner Aufforderung, dich aus meinem Reich zu entfernen.«
»Ruf doch die Polizei«, schlug sie vor. »Oder deine Wächter. Oder … hey, warum zauberst du mich nicht einfach weg, genauso, wie du sonst Dinge herbeizauberst? Aber vermutlich kannst du das nicht, was?«
»Wenn ich das könnte, wärst du schon längst nicht mehr hier.« Er zerrte sie in Richtung des Wagens und blieb fluchend stehen, als der Boden vor seinen Stiefeln Funken zu sprühen und zu qualmen begann. Hier war die unsichtbare Mauer seines Gefängnisses.
»Da bist du so ein starker, mächtiger Zauberer und kannst mich trotzdem nicht loswerden. Du konntest mich nicht zu dir holen und jetzt kannst du mich nicht wegschaffen. Nicht durch Magie, denn ich bin kein Gegenstand. Ich habe Herz und Seele. Und einen freien Willen. Deshalb hast du versucht, mich mit Worten zu vertreiben. Grausamen, bösen Worten. Du hast nicht damit gerechnet, dass ich die dahinter liegende Absicht durchschaue, was? Nicht gedacht, dass ich eins und eins zusammenzähle. Du hast vergessen, mit wem du es zu tun hast.«
»Kayleen.« Verzweifelt drückte er ihre Hände. »Ich bitte dich nur um eines: Geh endlich zu deinem Wagen. Bitte!«
»Aber in Wahrheit willst du mich gar nicht loswerden«, fuhr sie ungerührt fort. »Du liebst mich nämlich.«
»Natürlich liebe ich dich.« Erneut schüttelte er sie und schrie so laut, dass seine Stimme durch den Wald donnerte. »Genau das ist der springende Punkt. Und wenn dir irgendetwas an mir liegt, dann wirst du tun, worum ich dich gebeten habe. Und zwar jetzt.«
»Du liebst mich.« Aufschluchzend warf sie sich an seine Brust. »Ich wusste es. Oh, ich bin so wütend auf dich. Und ich liebe dich so sehr.«
Er hätte sie gern in die Arme genommen, sie festgehalten. Stattdessen schob er sie nun von sich und hielt sie in Armeslänge von sich entfernt. »Hör mir zu, Kayleen. Lass
deine Gefühle einen Moment außer Acht und sei vernünftig. Ich habe kein Recht, dich zu lieben. Sei ruhig!«, fuhr er sie an, als sie den Mund öffnete, um ihm zu widersprechen. »Du erinnerst dich sicher, was ich dir über diesen Ort, über mich erzählt habe. Spürst du meine Hände auf dir, Kayleen?«
»Ja. Sie zittern.«
»Nach Mitternacht, einen Atemzug nach dem letzten Glockenschlag, wirst du meine Hände nicht mehr fühlen. Du wirst gar nichts mehr fühlen. Keine Berührung, nichts. Du wirst eine Blume pflücken, doch du wirst den Stengel oder die Blütenblätter nicht fühlen. Ihren Duft nicht riechen. Kannst du deinen Herzschlag spüren? Das unentwegte Pochen in deiner Brust? Nein, das kannst du nicht. Und so würde es sich dann mit deinen Sinnesempfindungen verhalten. Es ist schlimmer als der Tod, wenn man existiert und doch nicht existiert. Tag für Tag, Dekade um Dekade, in diesem körperlosen Zustand. Mit nichts außer den eigenen Gedanken. Und du verfügst nicht einmal über Zauberkraft, um dich zu unterhalten und geistig gesund zu halten. Du wärst verloren, wenig mehr als ein Geist.«
»Ich weiß.« Wie in dem Traum, dachte sie. Ein Nebelhauch im Nebel.
»Und das ist noch nicht alles. Du könntest keine Kinder haben. In der Schattenwelt kann nichts in dir heranwachsen. Du wirst keine Veränderung erleben, weder in dir, noch an dir. Du wirst keine Familie haben, keinen Trost. Keine Alternative. Dieser Bann wurde mir als Strafe auferlegt. Er soll nicht auch auf dir lasten.«
Obwohl ihre Nerven flatterten, blieb ihr Blick fest. »Ich habe noch einen Wunsch frei.«
Er stieß einen Fluch aus, warf die Hände in die Höhe. »Frau, du reizt mich bis aufs Blut. Aber wohlan. Was
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