Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
flachen Hand schlug er auf Dilis’ Flanke. Das Pferd stieg hoch, machte einen Satz nach vorn und galoppierte los.
Als sie in den Tiefen des Waldes verschwunden war, sank Flynn auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
Zehn
Sie hätte gern Wut gespürt. Bitterkeit. Irgendetwas, das diesen grässlichen Schmerz übertönte, der mit seiner Wucht jeden Zorn und jeden Kummer schon im Keime erstickte. Sie konnte nicht einmal mehr weinen.
Es war alles eine Lüge gewesen. Magie war nichts anderes als die Kunst der Täuschung.
Schlussendlich war Liebe nicht die Lösung gewesen. Sie hatte durch Liebe nichts erreicht, sich lediglich lächerlich gemacht.
War das nicht der Beweis, dass sie mit ihrer Einstellung Recht gehabt hatte? Ihre Verachtung für die romantischen Träume, denen sich ihre Mutter so gerne hingab, war völlig richtig gewesen und zeugte von gesundem Menschenverstand. Es gab keine Märchen, keine Liebe, die alles überwand, kein Happyend.
Eine kurze Weile hatte sie daran geglaubt, und es hätte sie fast zerstört.
Doch wie hätte sie nicht daran glauben sollen? Ritt sie nicht im Moment auf einem weißen Pferd durch einen verwunschenen Wald? Ja, das ließ sich nicht leugnen. Sie mochte sich in ihren Gefühlen getäuscht haben, doch das, was sie gesehen und getan und erlebt hatte, konnte sie nicht leugnen. Trotz allem Herzeleid, das sie nun empfand, hatte sie Wunderbares erlebt.
Aber wieso hatte er ihr so viel gegeben, ihr so viel gezeigt, wenn er sie nur als netten Zeitvertreib ansah? Nein, nein, irgendetwas stimmte da nicht. Und warum fiel ihr mit einem Mal das Denken so schwer?
Dilis war in einen gemächlichen Schritt verfallen und schien den Weg genau zu kennen. Alles war viel zu plötzlich passiert. Flynn hatte sich von einer Sekunde auf die andere verändert, war kalt und abweisend geworden. Sie zwang sich, logisch zu denken und das Geschehen zu analysieren. Doch nach wenigen Momenten wurde sie wieder unkonzentriert und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Ihr Wagen war völlig unversehrt. Er glänzte im Sonnenlicht, das durch die Baumkronen sickerte, und stand mitten auf einem schmalen Weg, der schnurgerade durch den Wald verlief.
Flynn hatte gesagt, er habe den Pfad frei geräumt. Nun, er hatte Wort gehalten. Sie glitt aus dem Sattel und umrundete langsam den Wagen. Nicht ein Kratzer, stellte sie fest. Sehr aufmerksam von ihm. So würde ihr eine Menge Ärger mit der Mietwagenfirma erspart bleiben.
Gut, dass er den Weg von Hindernissen frei geräumt hatte, verstand sie ja noch. Aber warum sollte er sich Gedanken über Mietwagenfirmen machen?
Neugierig öffnete sie die Wagentür, setzte sich hinter das Steuer und drehte den Zündschlüssel. Der Wagen sprang sofort an.
Der Motor klingt besser als vorher, dachte sie. Und sieh an, das Auto war sogar voll getankt!
»Willst du mich so dringend loswerden, Flynn, dass du
an alle Eventualitäten gedacht hast? Warum warst du am Ende so grausam? Warum hast du dich so bemüht, mich dazu zu bringen, dich zu hassen?«
Sie war unerwünscht. Das hatte er ihr mit jedem Wort, jeder Geste gezeigt.
Seufzend stieg sie aus dem Wagen, um sich von Dilis zu verabschieden. Sie ließ sich Zeit, strich über sein glattes Fell, seine weichen Nüstern. Dann gab sie ihm einen Klaps auf die Flanke. »Geh zu ihm zurück«, murmelte sie traurig und drehte sich weg, um nicht mitansehen zu müssen, wie das schöne Pferd zwischen den Bäumen verschwand.
Um ein Andenken an diese Zeit zu haben, pflückte sie ein kleines Sträußchen Wildblumen, schlang die Stiele ineinander und steckte das Sträußchen in ihr Haar, so albern diese Geste auch sein mochte.
Dann stieg sie in den Wagen ein und fuhr los.
Die Sonne fiel in schrägen Strahlen durch die Baumwipfel und auf den schmalen Weg. Als sie in den Rückspiegel blickte, sah sie, wie der Weg hinter ihr aufleuchtete, um gleich danach in einem Gewirr aus Moos, Steinen und Sträuchern zu verschwinden. Bald würde alles von Dickicht überwuchert und keine Spur mehr davon zu finden sein, dass sie hier einst mit ihrem Geliebten spazieren gegangen war.
Doch sie würde sich immer daran erinnern, wie er sie angesehen hatte, wie er die Lippen auf die Innenfläche ihrer Hand gedrückt hatte. Wie er ihr Blumen gebracht und ihr ins Haar gesteckt hatte.
Wie seine Augen beim Lachen warm aufleuchteten oder
vor Leidenschaft glühten, wenn … Seine Augen. Welche Farbe hatten seine Augen? Von einem leichten Schwindel
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