Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Niemand, der nicht meines Blutes ist, hat jemals einen Blick darauf geworfen.«
Behutsam nahm sie die Kugel von dem Sockel, hob sie hoch über ihren Kopf. Kerzenlicht flackerte darüber, drang ins Innere hinein, schien sich darin einzuschließen, bis die Kugel hell erstrahlte. Als Bryna die Kugel senkte, leuchtete sie noch immer, die Farben flimmerten, pulsierten, pochten.
»Sieh her, mein Geliebter.« Bryna öffnete die Hand, so dass die Kugel auf ihre Fingerspitzen rollte und dort ungeachtet aller Schwerkraft liegen blieb. »Sieh her.«
Er konnte der Versuchung nicht widerstehen und streckte die Hände nach der Kugel aus, umfasste sie. Die Oberfläche war weich, fast seidig, und wärmte seine Hände wie ein lebendes Wesen. Und der Pulsschlag darin, das Leben, schien in seine Arme zu strömen.
Die Farben bewegten sich, bildeten schimmernde Wolken, die sich nun teilten. Ein magisches Meer. Er sah Feuer speiende Drachen und ein silbernes Schwert, das sich durch Schuppenhaut bohrte. Einen Mann, der unter einer hellen weißen Sonne eine Frau auf eine blumenübersäte Wiese bettete. Einen Bauern, der hinter schwankenden Pferden einherschritt und ein steiniges Feld pflügte. Ein Baby, das an der Brust seiner Mutter saugte.
Immer weiter ging es, Bild um Bild wurde lebendig und erstarb. Dunkle Ozeane, flammende Sterne, ein stilles Dorf, reglos wie auf einer Fotografie. Das Gesicht einer alten
Frau, verwüstet vor Kummer. Ein kleiner Junge, der unter dem Schatten eines Kastanienbaums schlief.
Und selbst als die Bilder zu Farbe und Licht verblichen, sang die Kraft ihr Lied. Es durchflutete ihn wie ein gewaltiger Fluss. Kühl und rein. Es summte noch, als die Kugel wieder klar war, das Licht der Kerzen an sich abprallen ließ und ihm in die Augen warf.
»Das ist die Welt«, flüsterte Cal ergriffen. »Hier, in meinen Händen.«
»Es ist das Herz der Welt. Ihre Hoffnung. Große Macht liegt darin. Und jetzt in deinen Händen.«
»Warum?« Er schlug die Augen zu ihr auf. »Warum in meinen Händen, Bryna?«
»Ich bin die Hüterin dieses Ortes. Mein Herz ist darin ebenso enthalten.« Sie atmete langsam durch. »Ich bin in deinen Händen, Calin Farrell.«
»Kann ich ablehnen?«
»Aye. Die Entscheidung liegt bei dir.«
»Und wenn er – Alasdair – dies hier beansprucht?«
Sie würde ihn daran hindern. Es würde sie das Leben kosten, aber sie würde ihn daran hindern. »Macht kann verzerrt werden, missbraucht – aber jeder Missbrauch wird sich hundertfach gegen den Missbraucher wenden.«
»Und wenn er dich beansprucht?«
»Dann werde ich in tausendjähriger Knechtschaft an ihn gebunden sein. Das ist ein Bann, der nicht gebrochen werden kann.« Nur durch den Tod, dachte sie. Sie legte gleichfalls ihre Hand auf die Kugel. »Er wird diesen Schatz nicht bekommen, Calin. Und er wird dir nichts Böses zufügen. Das ist mein Schwur.«
Sie sah ihm mit starrem Blick in die Augen und murmelte etwas. Sein Gesichtsfeld verschwamm, ihm wurde schwindlig. Abwehrend hob er die Hand und versuchte, dagegen anzukämpfen. »Nein.«
»Zu deinem Schutz.« Sie legte die Hand auf seine Wange, während sie die Zauberformel sprach. »Mein Geliebter.«
Er blinzelte, schüttelte sich kurz. Einen Moment lang war sein Kopf völlig leer, nur das schwache Echo von Worten hallte darin wider. »Entschuldige. Was hast du gesagt?«
Sie lächelte. Er würde sich an nichts erinnern. Das war alles, was sie für ihn tun konnte. »Ich sagte, wir müssen gehen.« Sie stellte die Kugel auf den Sockel zurück. »Außerhalb dieser Kammer werden wir über dies hier nicht sprechen.« Sie ging zur Tür, streckte die Hand aus. »Komm. Ich werde dir jetzt deinen Whiskey einschenken.«
Sieben
In dieser Nacht waren seine Träume friedlich, schön. Dafür hatte Bryna gesorgt.
Da war ein Mann auf einem glänzend schwarzen Pferd, der in wildem Galopp über die Hügel jagte und durch einen hell aufspritzenden Fluss preschte. Sein grauer Umhang blähte sich unter dem rasenden Galopp und dem eisigen Wind auf.
Da war die Hexe, die ihn hoch oben auf einer Klippe in einer silbernen Burg erwartete, wo Kerzen und Fackeln goldenes Licht verbreiteten.
Da war eine Kugel aus Kristall, so klar wie Wasser, in der die Welt enthalten war, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert um Jahrhundert.
Da war Liebe, süß wie Honig, und Verlangen, scharf wie geschliffener Stahl.
Und als er sich ihr, in seinen Träumen versunken, zuwandte, öffnete sie sich für ihn, nahm ihn in sich
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