Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
»Ich wusste, dass er sich in der weißen Blechdose auf dem zweiten Regal befindet. Das Mehl ist in der blauen Dose daneben. Ich wusste das.«
»Das ist Teil deiner Gabe. Du hast soeben nur vergessen, dich dagegen abzuschotten. Es sollte dich nicht weiter beunruhigen.«
»Nicht beunruhigen.« Statt den Zucker in seine Tasse zu geben, trank er seinen Kaffee nun lieber schwarz und ungesüßt.
»Es ist allein dir überlassen, Cal, was du damit anfängst.«
»Wenn ich sie nicht möchte, kann ich sie also zurückweisen.«
»Das hast du bereits dein halbes Leben lang getan.«
Ihr Ton, so bitter wie der Kaffee, ließ ihn aufhorchen. Er verengte die Augen. »Und das ärgert dich.«
Sie schnitt Kartoffeln in kleine Stücke, ließ sie in das heiße Öl gleiten. »Es ist deine freie Wahl.«
»Trotzdem ärgert es dich.«
»Gut, ja, das stimmt. Du sperrst dich gegen diese Gabe, weil sie dir Unbehagen bereitet. Weil sie dein Empfinden von Normalität stört. Wie ich.« Den Rücken ihm zugewandt, nahm sie den Speck aus der Pfanne, ließ ihn auf einem Gitter abtropfen und holte ein paar Eier aus dem Kühlschrank. »Du blendest deine Gabe und gleichzeitig damit auch mich aus, weil wir nicht in deine Welt passen. Eine ordentliche Welt, wo Zauberei nur eine Illusion ist, aus Rauch und Spiegeln erzeugt, und wo Hexen schwarze Hüte tragen, auf dem Besenstiel reiten und an Halloween die Leute erschrecken.«
Während die Eier kochten, füllte sie Porridge in die Schüssel auf dem Tisch und drehte sich dann wieder um, um Brot zu schneiden. »Eine Welt, in der ich keinen Platz habe.«
»Ich bin hier, nicht wahr?«, sagte Cal ruhig. »Bin ich aus freien Stücken hier, Bryna, oder hast du mich gezwungen?«
Sie benutzt dich. Zieht dich in ihr Netz.
»Gezwungen?« Zutiefst verletzt wirbelte sie zu ihm herum und sah ihn an. »Ist das deine Meinung? Nach allem, was ich dir erzählt habe, nach allem, was wir erlebt haben?«
»Wenn ich nur die Hälfte von dem, was du mir erzählt hast, akzeptieren soll, wenn ich Logik und gesunden Menschenverstand beiseite schiebe und akzeptiere, dass ich mit einer Hexe in der Küche stehe, einen Steinwurf entfernt von einer verzauberten Burg, und demnächst gegen einen
bösen Zauberer einen Kampf austragen soll, der schon tausend Jahre währt, dann ist das, wie ich meine, eine durchaus vernünftige Frage.«
»Vernünftig!« Die Lippen zusammengepresst, drehte sie sich zum Herd zurück und schob die Eier auf eine Platte. »Vernünftig, sagt er! Habe ich ihn in meine Fänge gezogen wie eine Spinne eine Fliege, ihn quer über einen Ozean hinweg in meinen Bau gelockt?« Sie knallte seinen Frühstücksteller auf den Tisch und funkelte ihn an. »Ich frage dich, Calin Farrell, wozu sollte ich das tun? Für eine Runde Sex, für das Vergnügen, einen Mann ein, zwei Nächte in meinem Bett zu haben? Pah, das hätte ich auch leichter haben können. In Irland gibt es genügend Männer. Iss lieber rasch dein Frühstück, bevor es dir um die Ohren fliegt.«
Normalerweise hätte er gelacht, wäre da nicht jene listige Stimme gewesen, die ihm nach wie vor etwas einflüsterte. Mit regloser Miene nahm er Platz, ergriff seine Gabel und schlug damit gegen den Tellerrand. »Du hast die Frage noch nicht beantwortet. Da du mich ja angeblich nicht belügen kannst, ist es doch ziemlich eigenartig, dass du einen Bogen um die Frage gemacht und eine direkte Antwort vermieden hast. Also, Bryna, ja oder nein. Hast du mich gezwungen, hierher zu kommen?«
»Ja oder nein?«
Ihre Augen blieben trocken, doch ihr Herz weinte. War ihm klar, mit welch tiefem Zweifel er sie ansah, mit welch tiefem Misstrauen, mit welch kalter Nüchternheit? Kein Vertrauen war in seinem Blick und nicht ein Funken Liebe, derer sie so dringend bedurfte.
Eine Nacht war nicht genug gewesen, dachte sie mit einem jähen Gefühl der Verzweiflung.
»Nein, Calin, gezwungen habe ich dich nicht. Wäre das in meinem Sinn gewesen oder in meiner Macht gelegen, hätte ich dann so lange, so einsam auf dich gewartet? Ich bat dich zu kommen, bettelte bar jeden Stolzes darum, weil ich dich brauchte. Doch die Entscheidung zu kommen oder nicht zu kommen, blieb allein dir überlassen.«
Sie wandte sich ab und umklammerte die Küchentheke, während sie auf das Meer hinausblickte. »Ich werde dir noch etwas erzählen«, sagte sie leise, »denn die Zeit ist knapp.« Sie holte tief Luft. »Du hast mir das Herz gebrochen, als du mich aus deinem Herzen aussperrtest. Hast es in
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