Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
er sie. »Diese Augen haben mich aus dem Gesicht eines weißen Hirsches angesehen.«
Seufzend setzte er sich auf den Boden, ließ die Katze auf seinen Schoß steigen und kraulte sie. »Weißt du was, Hekate? Wenn jetzt ein zweiköpfiger Drache an der Küchentür klopfen würde, würde ich nicht mit der Wimper zucken. Mich kann weiß Gott nichts mehr überraschen.«
Doch das war ein Irrtum. Als Bryna wieder nach unten kam, war er sprachlos vor Überraschung. Sie sah aus wie in der vergangenen Nacht, als die Macht ihr Gesicht durchglüht und es mit unirdischer Schönheit erfüllt hatte.
»Du warst immer schön«, stammelte er, »aber jetzt … Ist das real?«
»Alles ist real.« Lächelnd ergriff sie seine Hand. »Möchtest du mit mir spazieren gehen, Cal? Ich sehne mich nach Luft und Sonne.«
»Ich habe Fragen, Bryna.«
»Das weiß ich«, sagte sie, während sie mit ihm aus der Haustür trat. Ihr Körper fühlte sich wieder leicht an, frei von Schmerz. Ihr Geist war klar. »Du bist wütend, weil du dich von mir getäuscht fühlst, doch es war keine Täuschung.«
»Du hast den weißen Hirsch gesandt, damit er mich in den Wald lockt, weg von dir.«
»Ja, das ist richtig. Mir ist nun klar, dass Alasdair Bescheid wusste und sein Wissen gegen mich eingesetzt hat. Ich wollte, dass du sicher bist. Nachdem ich dich kennen gelernt hatte – den Mann, der du heute bist –, erschien mir das weit wichtiger als …« Sie blickte zur Burg hinüber. »Als der Rest. Aber er hat dich dazu verleitet, den Schutz, den ich dir gab, abzulegen, und hat dir Träume eingeflüstert, um deinen Geist zu umwölken und Zweifel in dein Herz zu säen.«
»Da war eine Frau … Sie sagte, sie sei deine Mutter.«
»Meine Mutter.« Verblüfft schüttelte Bryna den Kopf, und ihre Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »War sie im Garten? Mit diesem albernen Strohhut?«
»Ja, und sie hat deinen Mund und dein Haar.«
Hand in Hand spazierten sie auf die Ruinen zu. »Sie hätte eigentlich nicht eingreifen dürfen«, meinte Bryna nachdenklich. »Aber vielleicht war es gestattet, da ich selbst die Regeln etwas eigenwillig angewendet habe. Die Atmosphäre ist von ihm gereinigt«, fügte sie hinzu, als sie durch den Torbogen hindurchgingen. »Die Blumen blühen noch.«
Er sah den Kreis aus Blumen, unberührt, unversehrt. »Dann ist es also vorbei? Für immer vorbei?«
Für immer, dachte sie. Es kostete sie Mühe, ihr Lächeln beizubehalten. »Er ist vernichtet. Selbst im Moment seiner Vernichtung hat er noch versucht, uns mit sich zu nehmen. Es wäre ihm vielleicht gelungen, wenn du nicht eingegriffen hättest. Wenn du nicht bereit gewesen wärst, alles zu risikieren.«
»Wo befindet sich die Kugel jetzt?«
»Du weißt, wo sie ist. Und dort bleibt sie. In Sicherheit.«
»Die Kugel hast du mir anvertraut, aber dich selbst nicht.«
»Ja, das stimmt.« Sie blickte auf ihre beiden ineinander verschränkten Hände hinunter. »Das war falsch von mir.«
»Du wolltest Gift schlucken.«
Angesichts seines bitteren, anklagenden Tons biss sie sich auf die Lippen. »Ich konnte nicht dulden, was er mit mir vorhatte. Du magst mich für schwach halten, aber ich konnte es nicht ertragen. Ich konnte es einfach nicht ertragen.«
»Wäre ich nur einen Moment später aufgetaucht, hättest du es genommen. Hättest dich umgebracht. Dich umgebracht«, wiederholte er fassungslos. »Du hast nicht darauf vertraut, dass ich dir zu Hilfe kommen würde.«
»Nein, ich hatte Angst. Ich hatte Angst und war verletzt und verzweifelt. Habe ich denn kein Recht auf Gefühle? Glaubst du, nur weil ich eine Hexe bin, habe ich keine Empfindungen?«
Ihre Mutter hatte ihn nahezu dasselbe gefragt, fiel ihm ein. »Nein.« Er sagte das sehr ruhig, sehr klar. »Das glaube ich nicht. Aber meinst du, ich bin weniger vertrauenswürdig, weil ich nicht das bin, was du bist?«
Verdutzt schüttelte sie den Kopf, presste die Hand vor den Mund, wandte sich ab. Nicht nur er hatte gezweifelt, dachte sie wehmütig. Nicht nur er hatte zu wenig Vertrauen gezeigt.
»Ich bin dir gegenüber ungerecht gewesen, und das bedaure ich. Du bist zu mir gekommen und hast gelernt, das Unmögliche innerhalb von nur einem Tag zu akzeptieren.«
»Weil ein Teil von mir es schon immer akzeptiert hat. Wenn man etwas in den hintersten Winkel schiebt, heißt das nicht, dass es nicht mehr existiert. Wir wurden geboren, um uns diesen Ereignissen zu stellen.« Warum waren ihre Schultern gebeugt, fragte er
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