Im Licht des Blutmondes
offensichtlich, ihre Prioritäten in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Schließlich nickte sie entschlossen.
„Ich würde gerne zu Fayn gehen“, beschloss Joleen. „Ich will ihr sagen, wie leid mir alles tut.“
„Du weißt, dass es nicht deine Schuld war“, sagte Zacharias zärtlich und doch mit gewissem Nachdruck. Joleen nickte, doch er sah die Zweifel in ihren Augen.
„Ich weiß, aber trotzdem bin ich nicht ganz schuldlos“, erklärte Joleen leise. „Bitte können wir zu ihr gehen?“ Sie sah ihn flehend an und Zacharias lächelte. Es war schwer, ihr etwas abzuschlagen, wenn sie ihn so ansah.
***
F AYN
Sie seufzte schwer und sah auf den Leichnam ihres Bruders. Ihr Herz wollte immer noch nicht fassen, dass er nun nicht mehr bei ihr war. Ihr kleiner Bruder, der sie immer beschützen wollte. Sie hatte die Erinnerungen des Vampires Anderson ebenfalls gesehen und das Wissen, dass Nikolas dank Joleens schneller Auffassungsgabe in seinen letzten Sekunden endlich Frieden mit seiner Tochter gemacht hatte, half ihr ein wenig, seinen Verlust zu verkraften.
Es klopfte und die Tür öffnete sich, ohne dass sie etwas gesagt hätte. Als sie aufsah, erblickte sie Zacharias und gleich hinter ihm, mit unsicherem Blick, Joleen. Fayn lächelte ihnen traurig zu, ehe sie aufstand und auf ihren Cousin und seine Gefährtin zuging. Als sie schließlich vor ihnen stehen blieb, machte Zacharias einen Schritt zur Seite, um ihr zu ermöglichen, gleich vor Joleen zu stehen.
Joleens Augen weiteten sich und die Unsicherheit in ihrem Blick nahm zu. Fayn wurde erst jetzt bewusst, dass Joleen sich Vorwürfe wegen Nikolas zu machen schien und Angst vor ihrer Reaktion hatte. Fayn schloss Joleen vorsichtig in ihre Arme.
„Ich habe meinen Bruder verloren“, flüsterte sie traurig und spürte, wie sich Joleens Körper anspannte. „Aber dafür habe ich nun eine neue Schwester.“ Sie gab Joleen einen Kuss auf die Wange und rückte dann von ihr ab, um sie lächelnd zu betrachten. „Wie fühlst du dich Joleen?“
„Traurig“, antwortete Joleen automatisch. Dann legte sie ihren Kopf auf die Seite und sah Fayn stirnrunzelnd an. „Und ein wenig überfordert“, gestand sie schließlich. Fayn nickte mitfühlend.
„Dieses Gefühl wird nachlassen“, versprach sie der jungen Vampirin. Joleen sah sie sehr ernst an. Ihre Augen hatten immer noch das gleiche Grün wie vor der Verwandlung, doch Fayn wusste, dass die Farbe in den nächsten Jahrzehnten immer mehr verblassen würde, bis sie schließlich das gleiche Grau haben würden wie die aller Vampire.
„Wie fühlst du dich?“, fragte Joleen leise und Fayn war überrascht, als Joleen nach ihrer Hand griff. Neugeborene Vampire ließen Körperkontakt normalerweise nur zu, wenn sie sich nährten.
„Ebenfalls traurig“, antwortete Fayn wahrheitsgemäß. „Aber ich bin froh, dass Nikolas noch seinen Frieden gefunden hat, ehe er starb. Er hat sich viele Jahre Vorwürfe wegen Theresa gemacht. Dank dir konnte er diese noch ablegen, ehe man ihn …“ Fayn schluckte, da sie nicht weitersprechen konnte. Joleen drückte ihre Hand und senkte seufzend ihren Kopf.
„Ich habe doch gar nichts gemacht“, murmelte sie.
„Doch. Du hast mitgespielt, als er Theresa in dir gesehen hat. Und dadurch hast du ihm den Frieden gegeben, der er benötigte, um in Ruhe zu sterben“, erwiderte Fayn. Sie meinte es so, wie sie es sagte. Joleen hätte nichts tun können, um Nikolas zu retten, sie waren schließlich beide in einem Raum voller Vampire gefangen gewesen. Auch Joleen hatte dort unten ihren Tod gefunden.
„Aber wenn ich nicht hätte auf den Markt gehen wollen …“, begann Joleen bedrückt, doch Fayn legte ihr sacht ihren Finger auf ihre Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Ich will nicht, dass du dir Vorwürfe machst“, flüsterte sie ihr zu. „Du hast alles getan, was du konntest. Niemand hätte in dieser Situation mehr tun können, Joleen.“ Joleen sah ihr zweifelnd in die Augen, doch Fayn bemühte sich, den Blick ernst zu erwidern.
„Es tut mir so leid“, Joleens Blick waren immer noch von Zweifeln durchsetzt. „Ich habe ihn wirklich gern gehabt.“ Fayn musste lächeln.
„Das weiß ich“, erwiderte Fayn. „Und auch er hatte dich sehr gern Joleen.“ Sie umarmte sie erneut. Dieses Mal erwiderte Joleen ihre Umarmung, und Fayn spürte die Erleichterung, die die junge Vampirin durchflutete.
Erst als Zacharias sich räusperte, lösten sie sich wieder voneinander. Fayn
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