Im Licht des Blutmondes
wieder herauszukriechen und winkte Joleen zu sich.
Mit einem unsicheren Blick auf den Mülleimer trat das Mädchen auf sie zu und schlang dankbar seine Arme um sie. Fayn lächelte, als sie spürte, wie der warme Körper des Kindes sich gegen sie drückte, und strich ihr über das abgeschnittene Haar.
„Passiert so etwas öfter?“, fragte Fayn, während sie Joleen von sich wegschob und zu ihrem Bett führte.
„Nein, das war das erste Mal“, antwortete Joleen sofort und kletterte dann in ihr Bett.
„Und das mit dem Kaugummi?“, fragte Fayn und studierte Joleens Gesicht genau. Fayn vermutete, dass beide Fälle zusammengehörten.
„Das war auch das erste Mal“, antwortete Joleen erneut.
„Und wie ist das mit den anderen Kindern. Magst du sie?“ Fayn sah, wie Joleens Augen sich verdunkelten und ihr Körper sich kaum merklich anspannte. Sie senkte ihren Blick und schüttelte dann langsam ihren Kopf.
„Sie sind nicht besonders nett zu mir“, erklärte Joleen leise und presste dann ihre Lippen aufeinander, als ob sie etwas gesagt hätte, was sie gar nicht hatte sagen wollen.
„Ärgern sie dich?“, fragte Fayn weiter. Sie wusste selbst noch nicht genau, worauf sie hinauswollte. Doch bei dieser Situation hatte sie ein ähnlich schlechtes Gefühl wie auch bei Martina.
„Manchmal“, gestand Joleen leise. Dann sah sie Fayn ängstlich an. „Aber bitte sag nicht, dass ich das gesagt habe, Lady Fayn. Wenn sie glauben, dass ich petze, dann werden sie böse sein.“
„Ich werde nichts sagen“, versprach Fayn und strich Joleen erneut über das Haar. „Aber ich möchte, dass du mir von nun an von allem berichtest, was sie dir tun. Verstanden?“
Joleen nickte und ließ sich dann zurück in die Kissen sinken. Zufrieden stand Fayn auf. Sie ging zum Mülleimer hinüber und nahm die Schlange dort heraus, ehe sie mit einem leisen „Schlaf gut, Joleen“, das Schlafzimmer verließ.
***
J OLEEN
Sie hatte nicht besonders gut geschlafen. Jedes Mal, wenn sie sich bewegt hatte und der Stoff ihrer Bettwäsche raschelte, war sie aufgeschreckt, weil sie für einen winzigen Moment glaubte, die Schlange sei zurück. Kurz nachdem sie aufgestanden war, kam jemand und erklärte ihr, dass der Unterricht in dieser Nacht ausfiel, weil alle Kinder, gemeinsam mit den Vampiren einen Ausflug machen würden.
Joleen freute sich auf den Ausflug, weil sie wusste, dass die anderen Kinder sie, wenn die Vampire in der Nähe waren, in Ruhe lassen würden. So würde sie eine weitere Nacht vor den Gemeinheiten der anderen sicher sein. Außerdem durfte sie noch ein wenig Zeit mit den Vampiren verbringen.
Sie huschte ins Badezimmer und wusch sich mit kaltem Wasser mehrfach ihr Gesicht, in der Hoffnung, dass es sie ein wenig aufwecken würde. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde sie Fieber bekommen, doch sie wusste, es lag daran, dass sie so müde war.
Nachdem sie sich fertig angezogen hatte, ging sie in die Eingangshalle, wo sie auf die Vampire warten sollten. Keins der anderen Kindern war bisher da, also setzte sie sich auf einen der vielen Sessel, die in den Ecken der großen Halle standen, und wartete. Joleen hörte, wie sich eine Tür öffnete und dann Schritte von zwei Personen, die über den Steinboden hallten.
Da die Schritte sehr leise waren, vermutete sie, dass es Vampire waren, die dort entlang gingen. Ihre Vermutung bestätigte sich bald, als leise Stimmen an ihr Ohr drangen.
„Und du bist sicher, dass du das willst?“, fragte eine weibliche Stimme, die sie als die Stimme ihrer Mutter erkannte. Sie hatte einen einschmeichelnden Unterton, als sie mit ihrem Gegenüber sprach. Joleen erstarrte, vermutlich sollte sie nicht hier sein, wo sie das Gespräch hören konnte.
„Natürlich bin ich mir sicher, sonst hätte ich dir dieses Angebot nicht gemacht“, antwortete eine dunkle Stimme, die Joleen noch nie gehört hatte. „Er ist mir schon lange ein Dorn im Auge. Wenn ich ihn so von innen heraus zerstören kann, soll es mir recht sein. Aber bist du dir auch des Risikos bewusst, dass du selbst damit eingehst?“ Sie konnte hören, wie ihre Mutter leise lachte.
„Natürlich bin ich mir über das Risiko bewusst. Aber ich vertraue in diesem Punkt auf dein Wissen und deine Integrität.“ Es folgte eine längere Pause und Joleen fragte sich, über was sie wohl sprachen. „Ich kann mich doch auf dich verlassen, oder etwa nicht?“
„Natürlich“, erklärte die Männerstimme. „Und wenn sich herausstellt, dass ich mich
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