Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
näheren Umgebung. Wir werden sie alle gründlich unter die Lupe nehmen.«
Aber davon wird Charlie auch nicht wieder lebendig, dachte Phoebe. Dann riss sie sich zusammen. Darum ging es nicht mehr, der Fall war erledigt. Jetzt ging es nur noch darum herauszufinden, was schiefgelaufen war.
»Woher wusste der Schütze, dass ausgerechnet Charles Johnson da drin war?« Phoebe lief durch die enge, vollgestopfte Wohnung.
»Vielleicht wusste er es gar nicht, sondern nur, dass einer von der Gang da drin war.«
»Na gut, aber woher sollte er das wissen? Hat er Charlie reingehen sehen? Er trug die Farben seiner Gang und war mindestens zehn Minuten in dem Spirituosenladen, bevor die erste Meldung kam. Und die kam ziemlich schnell, denn eine der Mieterinnen im Nebengebäude hat die Schießerei gemeldet. Sie sagt, sie hätte gesehen, wie Charlie wenige Minuten vor dem ersten Schuss die Straße überquert hätte.«
»Der Schütze sieht ihn beziehungsweise hört davon. Er nimmt die Waffe und hat das Glück, eine gute Schussposition zu finden.«
»Lass uns rausfinden, ob sie schon die abgehenden und eingehenden Telefonate in dieser Wohnung – in diesem Gebäude – überprüft haben. Und ob von hier aus irgendwelche Anrufe getätigt wurden, nachdem die Wohnung eigentlich hätte evakuiert sein sollen. Wahrscheinlich hat er eher ein Handy benutzt, aber man weiß ja nie.«
Sie trat ans Fenster eines kleinen Zimmers, das sich offensichtlich die beiden Kinder teilten. Von hier aus konnte sie den Diner sehen, wo sie an einem Vierertisch gesessen und Charlie überredet hatte, sich zu ergeben und das Gebäude zu verlassen. »Ich frage mich, wie viele Gangmitglieder wohl der Versuchung widerstehen können, auch Polizisten zu erschießen. Dass man es schafft zu warten, bis die Zielperson rauskommt – oder da rausgeholt wird -, kann ich ja noch verstehen. Aber warum versucht man dann nicht, auch ein paar Polizisten hopsgehen zu lassen, wenn man schon mal dabei ist? Noch mehr Blut, noch mehr Chaos. Aber der einzige andere Treffer stammt von einer verirrten Kugel, die eine Geisel in dem Spirituosenladen getroffen hat. Das ist doch komisch – findest du nicht?«
Er schürzte die Lippen. »Das ist wirklich rätselhaft. Aber wenn es kein Racheakt von der rivalisierenden Gang war, was dann?«
»Ich werde es dich wissen lassen, wenn ich so weit bin.«
Phoebe befragte selbst noch mehrere Mieter des Gebäudes und füllte ihre Aktentasche mit Unterlagen. Sie achtete darauf, noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein – ihre gesamte Familie sollte dort in Sicherheit sein, bevor es dunkel wurde -, nur für den Fall, dass sich der Aufruhr in der Stadt in einen wirklichen Aufstand verwandelte und die Blocks zwischen der Jones und der Hitch Street nicht ausreichten, um ein Übergreifen zu verhindern.
Sie brach ihre eigene eiserne Regel, indem sie ihre Waffe zwar in das oberste Fach ihres Schranks legte, sie aber vorher lud und entsicherte.
Nachdem sie Carly ins Bett gebracht hatte, kontrollierte Phoebe, ob alle Türen abgeschlossen waren und die Alarmanlage funktionierte. Anschließend setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Im Hintergrund ließ sie leise den Fernseher laufen, für den Fall, dass es eine Nachrichtensondersendung gab, und begann, die Protokolle, Berichte und Zeugenaussagen durchzulesen.
Als ihr Handy klingelte, ging sie geistesabwesend dran und dachte noch über den Grundriss des Wohngebäudes in der Hitch Street nach. »Phoebe MacNamara.«
»Duncan Swift. Hallo, Süße.«
Die Vorstellung, Süße genannt zu werden, während sie von ballistischen Untersuchungen, Grundrissen und diversen Berichten der Spurensicherung umgeben war, entlockte ihr ein Lächeln. »Hallo, Duncan.«
»Ich wollte nur mal hören, ob ich morgen noch eine Crew habe.«
»Ob man uns als Crew bezeichnen kann, weiß ich nicht, aber wir sind fest entschlossen. Wenn ich diese Bootstour absage, wird Carly nämlich bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag nicht mehr mit mir reden.«
»Jemanden mit Schweigen strafen ist eine hocheffektive Erpressungsmethode. Ich knicke dann immer sofort ein.«
»Gut zu wissen.«
»Dumm, dass ich das zugegeben habe. Wie dem auch sei, ich habe mich heute mit Phin getroffen und ihn gefragt, ob er und seine Familie auch mitkommen wollen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?«
»Nein, ganz und gar nicht. Carly wird begeistert sein, wenn jemand in ihrem Alter dabei ist. Sie liebt mich zwar, aber nach einer Weile bin ich
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