Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
keine andere Wahl. Wer immer Roy das angetan hat, hat uns alle zu Geiseln gemacht. Nur dass ich seine Forderungen nicht kenne. Ich weiß nicht, was er will und warum. Ich kann nicht mit ihm verhandeln, weil ich die Bedingungen nicht kenne.«
»Wollen wir einen Kaffee trinken?« Liz sah kurz auf die Uhr. »Ich kann hier eine halbe Stunde weg, während Bull die Unterlagen fertig macht.«
»Seh ich so schlimm aus?«
»Du siehst aus, als ob du eine Tasse Kaffee und eine Freundin gebrauchen könntest.«
»Das kann schon sein, aber ich muss jetzt dringend nach Hause. Wenn ich zu spät komme, flippen alle aus. Ich bin ihre einzige Stütze. Gibst du mir Bescheid, ob und wann sein Alibi bestätigt wurde?«
»Kein Problem.«
Phoebe öffnete die Tür und machte sie dann wieder zu. »Ich wünschte, er wäre es gewesen. Ich wünschte, er wäre dieses Arschloch. Roy ist tot, und das lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen. Ein Teil von mir wünscht sich, dass es Meeks war, damit die Sache endlich vorbei ist und ich meine Familie wieder in Sicherheit weiß. Aber es gibt noch einen anderen Teil, Liz, der sich mindestens genauso inbrünstig wünscht, dass es mit ihm vorbei ist, endgültig vorbei ist. Und zwar nicht wegen Roy, wenn du verstehst, was ich meine. Sondern wegen jeder Minute in diesem Treppenhaus. Ich dachte, ich hätte diese Erfahrung einigermaßen bewältigt, schließlich hat er dafür bezahlt. Aber als ich da drinstand und ihn ansah … Ich habe das noch lange nicht verarbeitet.«
»Das ist mehr als verständlich.«
»Findest du?«
»Recht ist nur dann geschehen, wenn einem das auch der Bauch sagt. Du musst seine Strafe akzeptieren, aber deswegen muss sie dir noch lange nicht gefallen.«
»Sie gefällt mir nicht.« Irgendwo löste sich ein Knoten, weil sie das endlich einmal losgeworden war und sich verstanden fühlte. »Sie gefällt mir kein bisschen. Ich würde mir wünschen, dass er eine Zeit lang ins Gefängnis wandert, hilflos und verängstigt. Vielleicht ginge es mir dann …« Phoebe schüttelte den Kopf. »Aber das ist eine andere Baustelle. Ich glaube, ich habe im Moment Dringenderes zu tun.«
»Du solltest mit einem Psychologen reden.«
»Ja, das werde ich auch, ehrlich. Aber erst, wenn das vorbei ist.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Das war besser als jede Tasse Kaffee. Danke, dass du mir zugehört hast, Liz.«
24
Sieversuchtenicht mehr daran zu denken, welche Gefühle es in ihr ausgelöst hatte, Arnie Meeks zu sehen und sprechen zu hören. Das war weder der rechte Ort noch der richtige Zeitpunkt dafür. Sie würde sich erneut damit auseinandersetzen müssen und noch so manchen Knoten im Magen spüren. Wenn es so weit war, würde sie eine Möglichkeit finden, sie zu lösen. Aber vorher hatte sie noch eine Liste mit anderen Prioritäten abzuarbeiten.
Sie parkte in der Jones Street und stieg aus ihrem Wagen. Warum, dachte sie, wirkte das Haus manchmal so bedrohlich ? Es konnten Wochen, ja sogar Monate ins Land gehen, in denen sie es einfach nur als ihr Zuhause betrachtete – als einen schönen, eleganten Ort, an dem ihr Kind aufwuchs und der ihre Mutter sowie ihre Freundin beherbergte. Als einen Ort, wo man zusammen aß, schlief, lebte und manchmal Gäste empfing.
Was spielte es da schon für eine Rolle, dass sie sich nicht freiwillig dazu entschieden hatte, hier zu wohnen, hier zu leben ? Es war schließlich nur ein Haus. Nichts als Ziegel und Glas. Bess’ Geist war längst weitergezogen.
Sie hatte keine Wahl gehabt, dachte sie. Deshalb.
Obwohl sie im Haus gebraucht wurde, ging Phoebe nach hinten in den Garten. Weit weg vom Streifenwagen und der bedrohlichen Fassade aus Ziegeln und Glas.
Sie setzte sich auf die Stufen zur Veranda, sah auf die hübschen Beete und Wege hinaus und stellte sich vor, sie lägen ganz woanders. In New Orleans vielleicht oder einfach nur in einem anderen Stadtteil Savannahs. In Atlanta oder in Charlotte.
Aber würde das wirklich einen Unterschied machen?
O ja, musste sie zugeben. Und ob.
Sie hörte, wie die Tür aufging, drehte sich aber nicht um. Sie wollte einfach noch einen Moment lang ihren Gedanken nachhängen.
Carter setzte sich neben sie und drückte ihr ein Glas Wein in die Hand. Er schwieg.
Sie nahm schweigend einen ersten Schluck und lauschte nur auf das köstliche Plätschern des Brunnens. »Ich schwelge gerade in Selbstmitleid.«
»Deswegen der Wein. Soll ich wieder reingehen?«
»Nein. Ich habe beschlossen, alte Wunden
Weitere Kostenlose Bücher