Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
sein. Am besten, wir gehen immer schön der Reihe nach vor, Phoebe. Lass uns einen Schritt nach dem anderen machen.«
Er hatte nicht nach einem Anwalt verlangt. Das sollte wohl beweisen, was für ein ausgebuffter Kerl er war, dachte Phoebe, während sie Arnie durch den Spiegel beobachtete. Aber es war eben auch unglaublich dumm. Er war lange genug Polizist gewesen, um es besser zu wissen, schien aber beweisen zu wollen, dass das keine große Sache war.
Er trug ein graues T-Shirt und Jeans, dazu abgewetzte Nike-Turnschuhe. Unrasiert, wie er war, wirkte er mal wieder sehr von sich überzeugt. Die rauen Bartstoppeln sprachen dieselbe Sprache wie seine Augen – ihr könnt mich alle mal, stand darin geschrieben.
Er hatte sie verletzt und erniedrigt, hatte ihr aufgelauert und sie missbraucht. Sie wusste, dass der Mühlstein, der auf ihrer Brust lastete, normal und eine ganz natürliche Reaktion war, während sie den Mann betrachtete, der sie gefesselt, zusammengeschlagen und ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte.
Aber sie wurde ihn einfach nicht los.
»Du musst das nicht tun.« Dave legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»O doch.«
»Du hast ihn schon einmal in die Schranken gewiesen, Phoebe, du musst dir nichts mehr beweisen.«
»Ich muss das einfach tun. Ich muss sehen, wie er verhört wird. Ich muss ihm in die Augen sehen, muss seine Stimme hören. Nur so kann ich mir wirklich sicher sein, dass er es war, der Roy umgebracht hat. Oder denjenigen kennt, der es getan hat.«
»Einer muss es dir ja sagen: Du schuldest Roy nicht das Geringste.«
»Ihm vielleicht nicht. Aber Carly. Es geht mir gut.«
Das war vielleicht etwas übertrieben, aber sie hielt durch, und das war das Wichtigste. Sie verfolgte, wie Sykes und Liz ihn gemeinsam verhörten, ihn ausfragten und versuchten, Arnies Schweigen zu durchbrechen. Alle drei wussten, wie so etwas geht, dachte sie. Aber Arnie war in der Minderheit und ihnen deutlich unterlegen.
»Wir wollen Ihnen gar nicht verschweigen, dass wir Sie wegen Lieutenant MacNamara reingeholt haben«, sagte Sykes leichthin.
»Da sagen Sie mir nichts Neues.«
»Ein Mann, der eine Frau derart zusammenschlägt, gerät nicht so schnell in Vergessenheit. Was ist das für ein Mann, der so etwas tut?« Sykes hielt kopfschüttelnd inne. »Meiner Meinung nach ist dem alles zuzutrauen.«
»Dann sollten Sie Ihre Meinung vielleicht noch mal überdenken.«
»Ich sag Ihnen jetzt mal, was ich denke, Arnie.« Liz ging um ihn herum und sprach ihn von hinten an. »Jemand, der so was tut, ist ein verdammter Feigling. Einer, der so krank im Kopf ist, dass er auch in der Lage wäre, einen hilflosen Mann in die Luft zu sprengen. Haben Sie sich unbesiegbar dabei gefühlt? Sind Sie sich wichtig vorgekommen, als Sie ihn ausgelöscht haben?«
»Ich kannte dieses Arschloch nicht mal! Das habe ich Ihnen doch alles längst erzählt. Ich hab mit dem Kerl nichts zu tun. Warum auch? Immerhin war er so schlau, die Schlampe sitzen zu lassen. Ich hätte ihm einen Drink spendiert, wenn ich ihn kennengelernt hätte.«
»Er hat Ihnen nichts bedeutet, stimmt’s?«, schaltete sich Liz ein. »Er war nur ein Mittel zum Zweck, sich an Lieutenant MacNamara rächen zu können.«
»So was hab ich nicht nötig. Das ist vorbei.«
»Und wie gefällt es Ihnen so, Arnie, einen Haufen Yuppies in Calvin-Klein-Anzügen oder Touristen in Flipflops zu bewachen? Ich fürchte, das ist noch lange nicht vorbei.«
Arnies Gesicht verfinsterte sich. Wut, dachte Phoebe, und noch etwas anderes, Scham.
»Das ist nur vorübergehend.«
»Ach ja? Sie glauben, Ihr Daddy wird schon dafür sorgen, dass Sie Ihren Job zurückkriegen?« Sykes trommelte sich mit beiden Händen auf den Bauch und johlte laut auf. »Wenn Sie sich da mal nicht sauber getäuscht haben. Und das wissen Sie auch. Sie sind erledigt, Sie haben die Familientradition gebrochen. Wenn mich so eine Schlampe den Job gekostet hätte, würde ich ihr das nur zu gerne heimzahlen. Warum sagen Sie uns nicht, wo Sie gestern Nacht gewesen sind, Arnie? Wo waren Sie von zehn vor drei bis heute früh?«
»Das hab ich Ihnen doch alles schon gesagt . Ich war zu Hause, bei meiner Frau.«
»Es ist nicht besonders schlau, jetzt zu lügen.« Sykes tippte gegen seine Schläfe. »Vor allem, wenn die Frau ohnehin nicht besonders glücklich mit einem ist.« Sykes blätterte die Akte durch, die vor ihm lag. »Sie hat ausgesagt, dass sie nicht weiß, wann Sie nach Hause gekommen sind. Als sie um elf ins
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