Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
Schritt auf ihn zu. Es war keine Frage der Rangordnung, dass sie zuerst fragte. Jeder Polizist in diesem Raum wusste, dass das privat war.
»Dave McVee«, sagte sie. »Ich bin Phoebe MacNamara.«
Sie hatten die Blutung stoppen und seine Milz retten können. Er hatte eine gequetschte Niere, einen gebrochenen Arm, zwei gebrochene Rippen, eine Gehirnerschütterung sowie Abschürfungen und Brandwunden davongetragen.
Aber sein Herz war stark. Das hatte ihr der Arzt gesagt, aber das wusste Phoebe bereits.
Sie setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett und wartete. Sie musste wieder daran denken, wie er vor langer Zeit an ihrem Bett gesessen hatte, als sie auf ihre Mutter wartete.
»Sie haben versucht, mich rauszuwerfen«, sagte sie ihm, während er schlief. »Aber da hatten sie sich geschnitten. Ich weiche nicht von deiner Seite, bis du aufwachst und meinen Namen sagst. Wenn das passiert, weiß ich, dass es dir wirklich gut geht. Ich lasse unten gerade jede Menge Polizisten Blut spenden. Sie stehen regelrecht Schlange dafür, weil du so unersättlich bist und so viele Transfusionen gebraucht hast. Und was Maggie angeht, sitzt du ganz schön in der Patsche, mein Lieber. Du schuldest ihr unglaublich viel.«
Sie nahm seine Hand und hob sie an ihre Lippen. »Wir alle schulden ihr unglaublich viel. Ich lasse mir die Phantombilder faxen. Und dann hetzen wir dieses Arschloch wie einen Hund, das schwör ich dir.« Sie atmete mühsam durch. »Ich will, dass du jetzt aufwachst, Dave, und darüber wird nicht verhandelt.« Sie drückte seine Hand gegen ihre Wange. »Ich will, dass du aufwachst und meinen Namen sagst.«
Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bevor sie spürte, dass er sich rührte und sich seine Finger in ihrer Hand bewegten. Sie sprang auf, um sein Gesicht zu berühren.
»Dave? Kannst du die Augen aufmachen? Ich bin’s, Phoebe. Wach auf und mach die Augen auf!« Als seine Lider flatterten, ermahnte sie sich, auf den Knopf zu drücken und nach einer Schwester zu rufen, aber sie wollte ihn noch einen Moment für sich allein haben. »Hallo, Dave, ich bin’s, Phoebe.«
»Ich weiß.« Seine Stimme war dünn, und er lallte wie ein alter Trunkenbold. »Ich habe dich gehört. Was ist passiert, verdammt noch mal?«
»Es geht dir gut.« Sie strich ihm übers Haar und sah, wie sein Blick langsam klar wurde. »Du wurdest verletzt, aber es geht dir gut. Du bist im Krankenhaus. Du hast ein paar Beulen und blaue Flecken, also bleib ganz ruhig liegen. Ich werde nach der Schwester rufen.«
»Warte. Was … es hat geregnet. Hat es geregnet?«
»Es gab ein unglaubliches Gewitter.«
»Was ist passiert?«
»Er hat deine Haustür präpariert. Er ist in dein Haus eingedrungen, Dave. Es tut mir so leid.«
»Die Tür ist in die Luft geflogen.« Er schloss einen Moment die Augen und konzentrierte sich. Der Schmerz grub eine Steilfalte zwischen seine Brauen. »Ich weiß noch, wie die Tür aufflog.«
»Du warst ein zuvorkommender Nachbar und wolltest Maggie helfen, ein paar Tüten hineinzutragen. Deshalb geht es dir gut. Nicht jede gute Tat wird bestraft. Alles wird gut.«
»Ich hab ihn gesehen.«
»Du hast was?«
»Ich hab ihn gesehen.« Seine Finger umschlossen die ihren. »Auf der anderen Straßenseite. Die Tür flog auf, und ich hab innegehalten. Da hab ich ihn auf der anderen Straßenseite gesehen.«
»Maggie hat ihn schon vor dir gesehen – wir bekommen also einige Phantombilder zusammen. Wir …«
»Ich kenne ihn. Du hattest recht. Du bist ein kluges Mädchen. Du warst schon immer ein kluges Mädchen.«
»Dave, Dave.« Ihre Stimme wurde scharf, damit er jetzt nicht wieder wegsackte. »Er ist Polizist? Du meinst, er ist Polizist?«
»Bei einer Spezialeinheit. Er gehörte zur Spezialeinheit. Litt er an einem Burnout-Syndrom und wurde versetzt? Ich weiß es nicht mehr so genau. Walker? Nein, nein, Walken. Ich hab mal ein Bier mit ihm getrunken, auf einem Kollegenabschied. Wir zischten ein Bier an der Bar und haben uns über Baseball unterhalten. Walken. Walken«, sagte er noch einmal und sah Phoebe in die Augen. »Lauf!«
Sie sauste zur Tür und rief nach einer Schwester. »Er ist aufgewacht und hat Schmerzen. Und Sie …« Sie zeigte auf den Wachtposten vor der Tür. »… Sie rühren sich nicht von der Stelle, verstanden? Es ist mir egal, ob es ein Erdbeben gibt, ob es Frösche regnet oder der Herrgott ein zweites Mal zurück auf die Erde kommt. Sie rühren sich nicht von der Stelle, bis Ihre Ablösung da ist.
Weitere Kostenlose Bücher