Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
zählt nicht …, also seit fünfzehn Jahren oder so. Ich habe niemandem mit der Faust ins Gesicht geschlagen und mich auch nicht mehr dazu hinreißen lassen, jemand so richtig schön windelweich zu prügeln. Aber wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, wenn ich Walken in die Finger bekäme, würde ich ihn blutig schlagen. Und wenn er nicht mehr kann, wenn sein Blick gebrochen wäre, würde ich weiter auf ihn einschlagen. Das ist auch nicht meine Art, Phoebe, aber dass ich es tun würde, belastet mich ebenfalls kein bisschen.«
Sie starrte ihn an, denn obwohl sein Tonfall vollkommen ruhig und gelassen gewesen war, spürte sie, dass er es ernst meinte. Er wäre durchaus dazu in der Lage. »Na ja. Wir sind eben nichts weiter als ein gewaltbereiter Haufen.«
»So was Ähnliches. Mit dem Unterschied, dass wir es nicht vorsätzlich sind. Aber eines sag ich dir: Wenn du die Möglichkeit dazu bekommst, dann halt ihm eine Waffe an den Kopf und warte, bis ich da bin. Ich werde ihn grün und blau schlagen, und wenn er am Boden liegt, darfst du nachtreten.«
Sie schnaubte belustigt, riss sich aber gerade noch rechtzeitig zusammen. »Meine Güte, das ist eigentlich gar nicht komisch und sollte mir wirklich keine Freude machen. Aber es ist nun mal so. Und in dieser Stimmung werde ich die Waffe jetzt lieber in den Safe legen, wo sie hingehört.«
Sie kroch unter ihm hervor und griff nach der Waffe auf dem Nachttisch. Dann blinzelte sie in das grelle Licht, als er das Nachttischlämpchen anmachte.
»Ich musste dich einfach ansehen.« Er ließ seine verschwommenen blauen Augen träge über sie gleiten. »Diese nackte Rothaarige mit der Pistole. Ich glaube, der Anblick erregt mich so, dass ich noch eine Runde vertragen könnte.«
Sie schüttelte nur den Kopf und ging zum Schrank. »Noch vor wenigen Stunden hätte ich nie geglaubt, den Tag so beenden zu können. Das Leben hält wirklich so manche Überraschung für uns bereit.«
»Ich mag das. Und das erinnert mich an etwas, was ich dich noch fragen wollte. Wenn das hier vorbei ist – wie wär’s, wenn du dir dann ein paar Tage freinimmst und eine kleine Reise mit mir machst?«
Es war nur menschlich, Pläne zu schmieden, dachte Phoebe, als sie den Safe aus dem Schrank holte. Sie lächelte ein wenig bei dem Gedanken an Paris, Rom, Tahiti oder Berlin. »Das dürfte sich durchaus einrichten lassen. An was hast du denn gedacht?«
»An Disney World.«
Sie ließ die Waffe laut in den Safe fallen, blieb einfach vor dem Schrank stehen und starrte ins Leere.
»Du willst nach Disney World?«
»Das habe ich mir schon immer gewünscht, seit ich ein kleiner Junge war. Ich lag in meinem Bett und träumte davon. Alle dort scheinen glücklich zu sein. Nichts als bunte Farben, Musik und Spaß, überall überlebensgroße Zeichentrickfilmfiguren. Aber ich bin nie hingekommen, nicht, als ich noch ein Kind war. Seitdem bin ich ein paarmal da gewesen, damit ich es endlich gesehen habe.«
Sorgfältig stellte sie den Safe wieder ganz oben in den Schrank. »Und, warst du glücklich? War alles so, wie du es dir vorgestellt hast?«
»Doch, ich glaube schon. Wer Disney World mit grimmigem Gesicht verlässt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Ich dachte, Carly wäre bestimmt begeistert, oder täusche ich mich da? Wenn man sieben ist, gibt es nichts Schöneres auf der Welt. Als ich in ihrem Alter war, sah ich das zumindest so.«
Sie trat vom Schrank zurück und musterte ihn. Er saß auf dem Bett, splitterfasernackt, sein Haar war zerzaust, und er hatte ein verträumtes Lächeln im Gesicht, während er nicht an die Stadt des Lichts oder Ferien in Rom, sondern an Karussells und fliegende Elefanten dachte.
»Du willst Carly mit nach Disney World nehmen?«
Er drehte den Kopf und zuckte die Achseln. »Du darfst auch mit. Ich kauf dir ein paar Mickeymausohren.«
Eine dunkle Wolke der Bedrohung hing über ihnen, dachte sie. Eine sehr reale Wolke, die schon ganz nahe war. Seine enge Beziehung zu ihr brachte ihn genauso ins Fadenkreuz wie sie. Aber er überlegte, wie es wäre, ihre kleine Tochter nach Disney World einzuladen.
Sie ging zum Bett und setzte sich neben ihn. Sie nahm seine Hand und sah ihm in die Augen. »Duncan.« Liebe stieg in ihr auf wie ein Seufzen. »Duncan.«
Sein Grübchen vertiefte sich. »Phoebe.«
»Würdest du mich heiraten?«
»Würde ich … Was war denn das bitte?«
Seine Hand zuckte nur ein bisschen in der ihren, und sie sah den Schock auf seinem Gesicht. Aber das
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