Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
Tochter – bis das Schrillen der Türklingel sie hochfahren ließ. Sie stieg aus dem Bett und sah kurz auf den Wecker – Viertel nach drei -, bevor sie nach ihrem Morgenmantel griff. Sie ging bereits die Treppe herunter, als Essie und Ava aus ihren Zimmern kamen.
»Hat da gerade jemand geklingelt?« Essie hielt sich den Morgenrock zu, ihre Fingerknöchel waren weiß. »Um diese Uhrzeit?«
»Bitte bleib du hier bei Carly, ja? Nur für den Fall, dass sie aufgewacht ist.«
»Mach die Tür nicht auf. Mach bloß die Tür …«
Phoebe wusste ganz genau, dass diese zwanzig Jahre alte Angst nur darauf wartete, wieder zum Vorschein zu kommen.
»Ich komme mit. Das sind wahrscheinlich nur ein paar angetrunkene Jugendliche, die sich einen Scherz erlauben«, sagte Ava, noch bevor Phoebe widersprechen konnte.
Es hatte keinen Sinn, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, also ließ Phoebe es zu, dass Ava mit ihr die Treppe hinunterging. »Sie wird die ganze Nacht kein Auge mehr zutun«, murmelte Phoebe.
Sie spähte durch das Milchglas der Haustür und konnte nichts erkennen. Sie sind bestimmt weggerannt, dachte sie, wahrscheinlich hysterisch kichernd, wie es Jugendliche nun mal tun, wenn sie eine ganze Familie wach klingeln.
Aber als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um die Veranda genauer unter die Lupe zu nehmen, wusste sie Bescheid.
»Geh wieder hoch, Ava, und sag Mama, dass alles in Ordnung ist. Ein dummer Streich, mehr nicht.«
»Was ist da?« Ava klammerte sich an Phoebes Arm. »Ist da wer?«
»Geh rauf zu Mama. Ich will nicht, dass sie Angst bekommt. Sag ihr, dass ich mir nur noch schnell ein Glas Wasser hole.«
»Was ist denn? Ich geh nach oben und hol Steves Baseballschläger. Mach bloß die Tür nicht auf, bis ich …«
»Ava, da ist niemand. Aber ich muss diese Tür aufmachen, und das kann ich nicht, bevor du nicht nach oben gegangen bist, um Mama zu beruhigen. Die ist bestimmt schon ganz außer sich, und das weißt du auch.«
»Verdammt!« Ihre Sorge um Essie gewann die Oberhand. »Aber ich bin gleich wieder da.«
Phoebe wartete, bis Ava die Treppe hochging, bevor sie Tür aufschloss. Sie suchte die Straße mit den Augen ab – sah nach rechts, nach links, geradeaus. Ihr Instinkt sagte ihr, dass derjenige, der geklingelt hatte, längst auf und davon war. Sie musste sich nur bücken und aufheben, was vor der Tür lag. Dann machte sie die Tür wieder zu und schloss ab, bevor sie das Ding in die Küche trug und dort auf den Tisch stellte.
Die Puppe hatte feuerrotes Haar, das bestimmt einmal lang gewesen war, aber irgendjemand hatte es brutal abgeschnitten. Wer immer das gewesen war, hatte sie auch ausgezogen, ihre Hände mit einer Wäscheleine gefesselt und ihr ein Stück Isolierband über den Mund geklebt. Die Puppe war mit roter Farbe beschmiert.
»Mein Gott, Phoebe!«
Phoebe hielt abwehrend eine Hand hoch. »Was ist mit Carly? Und Mama?«
»Carly schläft tief und fest. Ich habe Essie gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen muss und dass du noch ein wenig unten bleibst, falls die Kinder zurückkommen. Damit du ihnen eine gehörige Lektion erteilen kannst.«
»Gut.«
»Was für ein schreckliches Ding!« Ava legte den Baseballschläger, den sie aus dem Schrank ihres Sohnes geholt hatte, daneben auf den Tisch.
»Ava, sei so gut und hol mir die Kamera aus meiner Schreibtischschublade. Ich möchte ein paar Fotos machen.«
»Solltest du nicht lieber die Polizei rufen?«
»Ava, du vergisst wieder mal, dass ich die Polizei bin.«
»Aber …«
»Ich werde es melden, aber ich will meine eigenen Fotos machen. Keine Sorge, wer immer das getan hat, wird heute Nacht nicht wiederkommen. Er hat seine Botschaft abgeliefert. Und erzähl bloß Mama nichts davon«, fügte Phoebe hinzu, während sie in der Werkzeugschublade nach einem Metermaß suchte. »Noch nicht.«
»Natürlich nicht. Phoebe, ich wünschte, du würdest Dave anrufen. Ich wünschte, du würdest sofort Dave anrufen und dieses Ding , das du sein sollst, wieder vor die Tür legen.«
»Warum sollte ich Dave um diese Unzeit wecken? Er kann jetzt auch nichts tun.« Phoebe strich Ava über den Arm und ging zurück zum Küchentisch. »Aber ich werd mit ihm reden, das versprech ich dir. Und jetzt hol mir bitte die Kamera, ja?«
Sie nahm Maß, machte Fotos, wickelte die Puppe zweifach in Plastik ein, legte sie in eine Einkaufstüte und verstaute sie im Flurschrank.
In ihrem Zimmer stellte Phoebe den Wecker auf sechs. Sie würde die Puppe
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