Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
die Reling. »Das ist doch kein schlechter Plan.«
»Das dachte ich auch. Ich liebte ihn sehr, auch wenn ich von Anfang wusste, dass die Karten ungleich verteilt waren.«
»Das versteh ich nicht.«
»Er liebte mich nicht besonders. Er konnte einfach nicht. Er ist einfach nicht dafür gemacht.«
»Das klingt wie eine faule Ausrede.«
»Nein, nein. Das würde es wesentlich einfacher machen. Er hat mich nie schlecht behandelt und war mir, soweit ich weiß, auch nie untreu. Aber er konnte sich nicht wirklich auf die Ehe einlassen. Ich dachte, ich könnte das ändern, ich käme damit zurecht. Dann wurde ich schwanger. Er war nicht böse deswegen oder sauer. Aber als Carly auf der Welt war … gab es nichts mehr, nichts mehr, was uns verband, keinerlei Neugier aufeinander. Er, beziehungsweise wir, haben das ein Jahr so durchgehalten. Dann hat er mir gesagt, dass er nicht mehr kann. Es täte ihm leid, aber das sei einfach nicht das, was er wolle. Er entschied sich, zu reisen. Roy funktioniert so. Er ist unglaublich spontan, es muss immer etwas Neues her.«
Duncan strich ihr wieder eine Strähne hinters Ohr, mit dieser selbstverständlichen Geste. »Sieht ihn Carly manchmal?«
»Nein. Eigentlich nicht. Eigentlich kommt sie besser mit der Situation klar als ich. Aber das ist nur ein Grund, warum ich so kompliziert bin.«
»Gut. Nenn mir noch einen.«
»Meine Mutter leidet an Agoraphobie. Sie hat das Haus seit zehn Jahren nicht mehr verlassen. Sie kann einfach nicht.«
»Sie hat auf mich gar nicht den Eindruck gemacht, als …«
»Als sei sie verrückt?«, unterbrach ihn Phoebe. »Das ist sie auch nicht.«
»Das wollte ich gar nicht sagen, sondern nervös. Angesichts eines Fremden wie mir.«
»Das ist was anderes. In ihrem Haus geht es ihr gut, dort fühlt sie sich sicher.«
»Das muss hart für sie sein.« Er strich mit dem Handrücken über Phoebes Arm. »Und für dich auch.«
»Wir kommen damit ganz gut klar. Sie hat lange dagegen angekämpft, etwa genauso lange, wie sie jetzt nicht mehr dagegen ankämpft. Sie hat sich mir und meinem Bruder zuliebe zusammengerissen. Und jetzt kümmern sich Carter, ich und Ava und Carly um sie.«
»Das ist wirklich eine ziemliche Belastung.« Er drehte sich zu ihr und ließ seine freie Hand neben ihrem Ellbogen auf der Reling ruhen.
»Aber ich verstehe nicht, warum wir deshalb keine Zukunft haben sollten.«
In dem Moment hatte sie sich genau dieselbe Frage gestellt. »Meine Familie und meine Arbeit benötigen fast meine ganze Kraft und Energie.«
»Du scheinst irrtümlicherweise zu glauben, dass ich sehr pflegeintensiv bin.« Er nahm ihr Glas und ging zurück zur Flasche. Er schenkte erst ihr und dann sich nach. Als er zurückkam, beugte er sich vor und presste seinen Mund auf ihre Lippen. »Ich bin verknallt in dich.«
»Sich verknallen ist einfach.«
»Mit irgendwas muss man ja anfangen. Warum nicht mit einem sexy Rotschopf, einem wunderschönen Abend und prickelndem Champagner? Hast du Hunger?«
»Mehr, als mir lieb ist.«
Er lächelte. »Setz dich doch. In der Kühlbox müsste etwas kalter Hummer sein. Ich hol ihn dir. Und während wir essen, kannst du mir die ein oder andere lange Geschichte erzählen.«
Sie hatte nicht vor, ihm noch mehr von ihrem Leben und ihrer Familie zu erzählen. Bleib so unverbindlich wie möglich, dachte sie. Bloß nicht in die Tiefe gehen. Aber er schaffte es und irgendwann zwischen dem Hummersalat und dem Rindsmedaillon begann sie zu erzählen.
»Ich frage mich, wie ein Mädchen aus Savannah dazu kommt, zum FBI zu gehen, dort unter anderem lernt, wie man Selbstmörder überredet, wieder von Dachvorsprüngen herunterzuklettern, und dann als Polizistin zu arbeiten. Hast du schon mit deinen Barbies Polizei gespielt?«
»Ich konnte noch nie sehr viel mit Barbies anfangen. Die vielen blonden Haare und dann diese Riesenbrüste.«
»Genau deshalb habe ich sie geliebt.«
»Nein, im Ernst: durch Dave McVee.«
»Aha.« Er schenkte ihnen nach und bewunderte, wie das Licht auf ihrem Porzellanteint spielte und diese intelligenten Katzenaugen zum Funkeln brachte. »Ein High-School-Schwarm? Deine erste Liebe?«
»Weder noch. Ein Held, der erste und der letzte. Er hat uns gerettet.«
Als sie daraufhin schwieg, schüttelte Duncan den Kopf. »Du weißt ganz genau, dass du das nicht einfach so im Raum stehen lassen kannst.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Mein Vater wurde ermordet, als meine Mutter mit Carter schwanger war. Mit meinem kleinen
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