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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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nachzudenken: um herauszufinden, wie ich dies alles überstehe, wie ich diese Aufgabe zu Ende führe …

    Das Maultier, das in den letzten anderthalb Tagen immer schwerfälliger geworden war, spürte im bewaldeten Bergland von Cashmere vertrauten Boden unter den Hufen und begann, schneller zu laufen. Auch Talmadge fühlte die Nähe der heimatlichen Plantage. Sein Herz schlug hohl und leicht; die Sonne in den Bäumen blendete ihn. Schnaufend querte das Maultier den letzten Hügel, Talmadge spornte es noch einmal an, und dann brach es aus den Bäumen hervor, trabte auf die helle Weide, hustete und zottelte mit offenem Maul und klirrendem Zaumzeug den Hang hinunter.
    Die Obstgärten waren blau- und silberblättrig. Die regelmäßigen Vogelrufe, die ihn unterwegs die Stille hatten vergessen lassen, entluden und kreuzten sich im Himmel. Und auch die vertraute Mischung von Gerüchen war da: nach Wasser, Obst, Blüten und Staub.
    Immer Staub.
    Durch das Wechselspiel des Lichts – es hatte mit der Form des Canyons zu tun, damit, wie die Felsen und der obere Wald in den Himmel ragten – lagen einige Teile des Tals im Schatten, während andere, etwa derjenige, der die Hütte beherbergte, leuchteten, als wäre heller Morgen.
    Angelene war auf die Veranda getreten, die Hände am Gesicht, um ihre Augen zu beschirmen.
    Sie winkte. Als er auf den Hof fuhr, war sie wieder in der Hütte verschwunden, kam aber bald heraus und half ihm vom Wagen. Woher wusste sie, dass er Hilfe brauchte? Denn das war inzwischen der Fall, er merkte es selbst. Hatte er sich schon einmal so auf sie gestützt? (Er stützte sich schwer auf sie, schwerer, als ihm lieb war. Er zitterte; sehnte sich einen Moment lang nach der vertrauten Bewegung des Wagens. Ihm war übel vor Erschöpfung.) Er sagte etwas in ihr Haar, und sie fragte: Was? Aber sie hielt ihn und führte ihn über den Rasen zur Veranda, als hätte sie das schon tausendmal gemacht. Ihr war nicht einmal am Gesicht abzulesen, dass es ein ungewöhnlicher Vorgang war. Sie stiegen die Stufen hinauf, und er ließ sich in den Birkenholzsessel fallen. Erst jetzt sah er, dass ihre Haare feucht waren, glatt zurückgekämmt, und dass sie ihre Markttagsbluse trug, die weiße mit der rosafarbenen Stickerei am Kragen. War sie allein auf dem Markt gewesen? Sie beugte sich über ihn und sprach mit ihm, und dann – er wusste kaum, wie ihm geschah –, war er eingeschlafen.
    Als er aufwachte, lag er in seinem Bett, und es war dunkel. Grillen zirpten hinter dem offenen Fenster, und über allem lag der Geruch von gebratenen Zwiebeln. Sie ging an der offenen Schlafzimmertür vorbei, und als sie sah, dass er wach war, kam sie herein. Setzte sich auf die Bettkante. Half ihm, sich aufzurichten. Eine Laterne leuchtete hell im Zimmer hinter ihr, sodass er ihr Gesicht nicht richtig erkennen konnte. Nach einer Weile legte sie ihre Hand auf seine.
    Ich wusste, dass du heute zurückkommst, sagte sie. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich es gewusst.
    Sie schwiegen. Er dachte, er sollte ihr von Della erzählen. Aber wo sollte er anfangen? Bevor er etwas sagen konnte, fragte sie: Hast du Hunger?
    Er nickte.
    Sie stand auf und kam mit einem gefüllten Teller zurück. Rühreier mit Speck und Zwiebeln, Brot und in dünne Scheiben geschnittene Tomaten, Kaffee. Sie setzte sich wie zuvor auf die Bettkante, während er aß.
    Isst du nichts?, fragte er sie.
    Ich hab schon gegessen.
    Wie lange habe ich geschlafen?
    Drei Stunden oder so.
    Nachdem sie seinen leeren Teller in die Küche gebracht hatte, setzte sie sich wieder zu ihm, diesmal so, dass er ihr Gesicht sehen konnte. Die dunklen, gutherzigen Augen, die verwunderte Stirn. Sie schauten sich an.
    Er fing an zu reden.
    Du brauchst mir jetzt nichts zu erzählen, unterbrach sie ihn, wandte den Blick ab und zupfte einen Fussel von der Bettdecke. Strich den Stoff glatt. Nicht jetzt. Ruh dich aus …
    War sie noch böse? Auf ihn? Da war diese gewisse Verhärtung um ihren Mund – Zorn, aber auch Traurigkeit.
    Es würde sich alles klären, dachte er, es würde alles an die Oberfläche kommen, wenn er mit ihr sprach, wenn er ihr erzählte, was geschehen war – während der letzten Tage, auf seiner Reise nach Chelan, aber auch in der Vergangenheit. Es würde sich alles klären …
     
    Warst du auf dem Markt?, fragte er sie am nächsten Tag.
    Ja …
    Wie bist du da hingekommen?
    Mit dem Pferd, sagte sie. Als sie seine verständnislose Miene sah, fügte sie hinzu: Das

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