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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Tisch am Fenster, sodass er den See in der Dunkelheit sehen konnte. Sie nahm einen Teller aus dem Ofen und stellte ihn vor ihn hin. Es war Kartoffelbrei mit Soße, gebratenes Huhn und grüne Bohnen.
    Möchten Sie etwas trinken?
    Danke, ich kann mir ein bisschen Wasser nehmen, wenn Sie …
    Wasser? Möchten Sie wirklich Wasser und keine Milch?
    Na ja, ich …
    Sie brachte ihm ein Glas Milch und ließ ihn allein. Er aß, blickte auf den See und die Bäume, lauschte dem Ticken des Ofens.
     
    Als er aufgegessen hatte, ging er wieder zu der Wirtin, die in ihrem Lichtkreis saß und strickte. Sie sah auf.
    Haben Sie genug zu essen gehabt?
    Ja, danke.
    Gibt es noch etwas? Sie haben doch genügend Decken, oder?
    Als er nicht antwortete, hörte sie auf zu stricken, legte das Garn zur Seite und fragte ihn, ob er sich setzen wolle.
    Erneut zauderte er.
    Ich muss Sie um einen Gefallen bitten …
    Sie musterte ihn.
    Meinen Sie … würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihnen einen Brief diktieren würde?
    Sie zögerte nur ganz kurz, vor Überraschung, bevor sie ihm antwortete.
    Natürlich …
    Und sie stand auf und holte einen Bogen Papier.

    Das Schlimmste an der Einzelhaft war, dass ihr das Gefühl für die Ordnung der Dinge abhandenkam. Was machte sie hier? Wo war sie? Beging sie einen Fehler? Vorher schien alles nach einem klaren Schema abgelaufen zu sein, doch jetzt in der Dunkelheit erhob der Zweifel sein Haupt und baute sich vor ihr auf.
    Es war sehr still, und wenn Della geschlafen hatte und aufwachte, waren da keine Männer und keine Pferde, keine Plantage, kein Obstbauer und kein Kind, keine Früchte und kein Himmel, keine feucht riechende Luft; nur Leere. Es gab keine Zeit. Es gab keine Wildnis, in der man sich verlieren konnte. Sie berührte ihr Gesicht im Dunkeln; sie hatte sich selbst. Doch dieses Selbst, dachte sie dann, war nichts. Sie war nichts.
    Warum werden wir geboren?, fragte sie sich. Was bedeutet es, geboren zu werden? Zu sterben?

    Auf halbem Weg zurück zur Plantage – er war vor Morgengrauen bei beißender Kälte hinten im Wagen aufgewacht, hatte sich ein Feuer gemacht und gegessen und dann in der blaugrauen Luft die Zügel aufgenommen – begriff er, während im Osten die Sonne aufging: Er hätte sie nicht dort lassen dürfen. Er hätte mit dem jungen Mann nicht so nachsichtig sein dürfen. Er hätte verlangen müssen, den Amtsrichter zu sprechen und Della zu sehen. Das war ja nicht unmöglich. Sie war schließlich nicht tot. Es lag im Ermessen des Amtsrichters, ob Della Besuch empfangen durfte oder nicht. Und Talmadge wäre durchaus in der Lage, den Mann umzustimmen, das wusste er irgendwie – konnte er etwa nicht reden? War er nicht zumindest halbwegs gewinnend?
    Doch was hatte er stattdessen getan? Er hatte dem Mädchen einen Brief geschrieben:
Ich komme wieder, und dann besuche ich dich.
Wäre es nicht noch schlimmer für sie zu wissen, dass er dort gewesen war, aber niemanden um ihretwillen unter Druck gesetzt, nicht darauf bestanden hatte, sie zu sehen?
    Er zügelte das Maultier und hielt an. Die Stille einer anderen Landschaft umgab ihn. Er erwog zurückzufahren. Doch Angelene war allein auf der Plantage, sie wusste von all diesen Entwicklungen nichts. Er wollte ihr keine Angst machen, indem er länger wegblieb als geplant. Nach einigen Minuten der Unentschlossenheit trieb er das Maultier weiter Richtung Plantage. Fort von Chelan.

    Ein Mann war hier, er wollte Sie besuchen, sagte der Amtsrichter.
    Della, die drei Tage lang in einer Zelle ohne Fenster und Licht verbracht hatte, saß vor seinem Schreibtisch. Sie versuchte, teilnahmslos und ruhig zu bleiben, aber sie konnte ihr Unwohlsein kaum verbergen. Das Licht im Büro, so schwach es auch war – der Amtsrichter hatte mit Rücksicht auf ihren Zustand die Jalousien heruntergelassen – schien sie wundzuscheuern. Die Schatten an der Wand, die kleinen Bewegungen im Gesicht des Amtsrichters, während er sprach, berührten sie in ihrem tiefsten Inneren. Sie hatte Sorge, dass sie weinen müsste. Doch es gab keinen Grund zu weinen, nicht jetzt.
    Schließlich kam bei ihr an, was der Amtsrichter gerade gesagt hatte: dass ein Mann sie hatte besuchen wollen.
    Was für ein Mann?
    Er hat das hier für Sie hinterlassen. Der Amtsrichter griff in seine Hemdtasche und förderte einen Briefumschlag zutage, den er ihr über den Schreibtisch reichte. Der Umschlag war geöffnet worden.
    Vorschrift, sagte er.
    Schon als er nach ihrer Entlassung

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