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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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auf.
    Der Amtsrichter erhob sich ebenfalls.
    Sie starrten einander an.
    Ich möchte sie jetzt sehen, sagte Talmadge.
    Der Amtsrichter blickte über Talmadges Schulter hinweg an die Wand, als dächte er über seine Bitte nach.
    War es möglich, dachte Talmadge, dass der Amtsrichter ihn nach alledem nicht zu ihr lassen würde?
    Ich bleibe so lange hier, bis ich sie gesehen habe, sagte er leise.
    Der Amtsrichter warf ihm einen kurzen Blick zu. Dann ging er zur Tür.
    Folgen Sie mir.
     
    Die Einzelhaftzelle, in die sie Della gesperrt hatten, lag von den anderen getrennt. Sie betraten den Zellentrakt, der Amtsrichter zuerst, und anstatt geradeaus den Gang entlangzugehen, bogen sie gleich scharf rechts um die Ecke und kamen an der Gemeinschaftszelle vorbei, in der zwei Männer auf nackten Feldbetten lagen und zu schlafen schienen. Durch die Gitterstäbe hindurch roch Talmadge ihre alkoholische Ausdünstung. Der Amtsrichter räusperte sich; das Geräusch wurde auf der Stelle von den Wänden, der Luft absorbiert. Sie bogen noch einmal rechts ab; der Amtsrichter ärgerte sich im Stillen, dass er keine Laterne dabeihatte. Kurz vor dem Ende des Ganges, auf der linken Seite, war eine Tür mit einem kleinen rechteckigen Fenster auf Hüfthöhe. Es war unglaublich dunkel hier, und Talmadge verstand nicht, warum der Gang unbeleuchtet war. Der Amtsrichter klopfte drei Mal an die Tür, dann nahm er den Schlüsselring, den er aus seinem Büro mitgenommen hatte, zur Hand, schloss die Tür auf und öffnete sie.
    Die Dunkelheit war beinahe schön. Sie war feucht-schwarz und satt, roch nach Erde.
    Della?, rief der Amtsrichter.
    Es kam keine Antwort.
    Hier ist jemand für Sie. Mister Talmadge möchte Sie sehen.
    Immer noch keine Antwort.
    Wieder rief er in die Dunkelheit hinein: Sie dürfen ihn sehen, wenn Sie möchten. Sie können herauskommen.
    Und dann ein Laut von drinnen, ein Krächzen: Nein.
    Talmadge berührte den Amtsrichter an der Schulter und sagte: Ist schon gut. Ich gehe rein, wenn Sie uns ein paar Minuten allein lassen würden …
    Der Amtsrichter zögerte zuerst, trat aber schließlich beiseite.
    Das ist äußerst unüblich. Ich kann keine Verantwortung für … für ihr Handeln übernehmen, wenn Sie da reingehen. Ich weiß nicht, wozu sie fähig ist …
    Keine Sorge, sagte Talmadge. Dann: Ich übernehme die Verantwortung für alles, was passiert. Ich möchte nur mit ihr sprechen. Keine Sorge.
    Della, rief der Amtsrichter erneut in die Dunkelheit hinein. Della, ich lasse Mister Talmadge jetzt hier bei Ihnen. Er möchte mit Ihnen reden. Sehen Sie es als einen Gefallen an, den ich Ihnen beiden tue. Als keine Antwort kam, wandte der Amtsrichter sich Talmadge zu: Ich warte auf dem Gang. Bitte bleiben Sie nicht zu lange.
    Talmadge trat in die Dunkelheit.
    Della?
    Ich bin hier. Fass mich nicht an.
    Nein, ich werde dich nicht anfassen.
    Er konnte sie ohnehin nicht sehen. Ihm war, als hätte er die Orientierung verloren, und auch sein Gefühl für die eigenen physischen Grenzen, für seinen Körper, begann zu schwinden. Er hob die Hand vors Gesicht – es gelang ihm nicht, sie auszumachen. Dort, wo er die Tür vermutete, war es eine Spur weniger dunkel. Aber ihre Umrisse konnte er trotzdem nicht erkennen.
    Er nahm auf einmal das Geräusch seines eigenen Atems wahr. Ein Rasseln, das angestrengt klang.
    Oh …, sagte er.
    Irgendwo vor ihm bewegte sich etwas.
    Was willst du. Warum bist du hier.
    Bist du krank?, fragte er verwirrt. Ist alles in Ordnung mit dir? Die behaupten, du hättest einen Anfall gehabt. Stimmt das?
    Einen Anfall, sagte sie. Ich denke schon. Sie lachte, verstummte dann jäh wieder.
    Ich weiß, wer er ist, sagte er, denn er hatte beschlossen, das Problem direkt und auf der Stelle anzusprechen. Ich weiß, was los ist.
    Stille. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als wäre sie gar nicht da. Er spürte einen erschreckenden Mangel an Aufmerksamkeit.
    Della? Bist du da?
    Pass auf, sagte sie, und ihre Stimme war so leise, dass er sie kaum verstand. Er spitzte die Ohren. Sag es nicht dem Amtsrichter. Sag es niemandem, sonst …
    Droh mir nicht, junge Dame, sagte er mit lauter Stimme; und wieder hörte er sein eigenes schreckliches Atmen. Dellas Atem nahm er überhaupt nicht wahr. Ich bin hier, um dir zu helfen, und du hörst mir jetzt besser zu. Ich werde dem Amtsrichter und dem Richter von Michaelson erzählen, und ich habe vor, dich hier rauszuholen. Oder zumindest woandershin verlegen zu lassen. Dies ist kein

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