Im Licht von Apfelbäumen | Roman
oben den Bauch. Das Mädchen weinte, mit offenem Mund, kehlig und tief. Es war ein furchtbares Geräusch. Es gab Momente vollkommener Stille in dem Zimmer, dann wieder zerrissen die einzelnen Schmerzenslaute des Mädchens die Luft. Jane hatte sich halb aufgerichtet und stemmte sich rückwärts gegen das Kopfende. Mit den Füßen drückte sie gegen Talmadges Oberschenkel, bis ihre Zehen sich krümmten. Sie hielt sich an seinen Unterarmen fest. Wenn nötig, lehnte er sich nach hinten, von ihr weg, um der Kraft entgegenzuwirken. In dieser Stellung schaukelte sie vor und zurück. Als der Kopf des Babys aus Janes Scheide trat, war das Haar des Mädchens schweißnass und das Laken unter ihr leuchtend rot vor Blut.
Mama, rief Della. Mama! Das Lager unter ihr war schwarz.
Schschsch!, sagte Caroline Middey. Und zu Jane gewandt: Pressen!
Das Mädchen presste.
Caroline Middey sah zu dem Babykopf hinüber. Sie blinzelte. Das musst du jetzt machen, sagte sie zu Talmadge.
Was?, sagte er.
Du musst es behutsam anfassen und ihm raushelfen. Dann lauter zu Jane: Pressen, Mädchen! Hörst du?
Jane ließ seine Arme los. Als er die Hände von den Schenkeln des Mädchens nahm, blieben seine Abdrücke noch eine Weile auf ihrer Haut, ehe sie verblassten.
Steck deine Hände rein, und hol es raus!, brüllte Caroline Middey.
Ihm blieb nichts anderes übrig. Er schob seine Finger in das Mädchen und sagte ihr, sie solle das Kind herauspressen. Sie keuchte und packte die Seiten des Bettes – die Knie weit geöffnet –, und Caroline Middey wiederholte: Pressen! Seine Stimme war tief und leise: Pressen! Es war ein violetter und roter Schlamassel. Das Mädchen kämpfte und begann, locker zu lassen.
Talmadge!, sagte Caroline Middey.
Einen schamlosen Moment lang achtete er nicht darauf, ob er ihr wehtat, und schob seine Hände bis zu den Gelenken in sie hinein, und sie schrie, und er schob noch weiter, bis er die Schultern des kleinen Dings zu fassen bekam, und zog daran, nicht kräftig, aber auch nicht sanft. Gott verdammt, sagte er. Gott verdammt. Als die Schultern draußen waren, drehte das kleine Biest den Körper zum Oberschenkel seiner Mutter. Das Mädchen packte ihre Knie und riss sie auseinander und drückte, den Mund fest geschlossen, den Körper mit einem zitternden Schrei aus ihrem eigenen heraus.
Da!, rief Caroline Middey. Doch für Talmadge war ihre Stimme weit entfernt.
Dieser einzigartige Vorgang – ein Körper, der aus einem anderen herausfällt – verwirrte ihn im selben Moment, als er sich ereignete. Er wusste nicht, wo er war. Er verweilte bei dem Bild des Körpers in seinen Händen – winzig klein, heiß, blutig. Was war das? Wo kam es her? Das ganze Zimmer richtete sich daran aus. Er schnitt die Nabelschnur mit seinem Taschenmesser durch und nahm das Etwas hoch, entfernte ihm mit gekrümmtem Finger den Schleim vom Gesicht und aus dem Mund, legte es sich auf die Schulter und schlug ihm sanft auf den Po – woher wusste er das alles? –, und das Etwas brüllte ihm ins Ohr. Das Zimmer schien anzuschwellen, zu pulsieren; die verstrichene Zeit, die behaglichen Stunden, trieben grobe Blüten. Es war immer wärmer geworden, roch intensiv nach Krankheit und Geburt, und das war die Welt, in der Talmadge wieder zu sich kam. Er hielt das Baby dicht an sich und hatte das Gefühl, dass es diesem Zimmer genauso gehörte wie dem Mädchen und zugleich, dass es niemandem gehörte.
Caroline Middey sagte: Wasch es ab.
Er stand auf und verließ das Zimmer.
Draußen war dunkle Nacht, doch er fand den Weg zum Bach mühelos.
Er kniete sich ans Wasser, holte ein Taschentuch heraus und tauchte es tief unter die Wasseroberfläche. Dann wrang er es in der Faust aus, legte den Säugling in seine Armbeuge und tupfte ihm das Gesicht ab. Es war ein wimmerndes Etwas, sehr klein. Er spürte seinen Namen auf den Lippen, den Namen dieses Etwas’, das er nicht benennen konnte, den Namen, der ihm nicht einfallen wollte. Er spürte, wie er sich ihm annäherte, wie seine Zunge darüber stolperte, ohne ein Geräusch zu machen. Talmadge betupfte das kleine Gesicht.
Das Mondlicht tanzte auf dem Bach und zersplitterte die Wasseroberfläche.
Er ging zur Hütte zurück. Dort wickelte er den Körper in ein Handtuch und stellte sich ans Feuer. Er zögerte kurz, als ein Gefühl der Verwirrung in ihm aufflammte: War es tierhaft? Er konnte es nicht benennen, weder das Geschöpf noch das Gefühl. Es ging vorbei.
Das Baby war ein Mädchen.
Della
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