Im Licht von Apfelbäumen | Roman
ihrer Schulter zurecht, bevor er sie in Ruhe ließ, sie von der Seite betrachtete und dann zum Himmel blickte. Hielt sich die Hände über die Ohren. Wartete, während sie wartete. Schließlich drückte sie ab. Der Schuss krachte und hallte im Himmel wider.
Sie liefen dorthin, wo das Tier ungefähr getroffen worden war, und er zeigte ihr, wie man im Gras nach Blutspuren Ausschau hielt. Du folgst seiner Fährte, sagte er. Er wusste nicht, wie er ihr von Intuition erzählen sollte.
Sie brauchten lange, bis sie den Bock fanden. Der Schuss hatte ihn am Hals gestreift, es war ein schlechter Schuss. Doch Talmadge führte sie geduldig auf den Spuren des Tiers, und am späten Nachmittag entdeckten sie es in einem kleinen Espenhain nicht weit von einem Bach entfernt. Die Sonne leuchtete ein letztes Mal auf; das Licht war golden. Talmadge hängte den Bock in einen der Bäume und schlitzte ihm die Kehle auf. Nachdem er genügend ausgeblutet war, gab Talmadge Della sein Jagdmesser und zeigte ihr, wie sie den Hauptschnitt von der Leiste bis zur Brust ausführen musste. Das Messer war alt, es hatte seiner Mutter gehört. Er griff in den Leib des Tiers und erklärte ihr mit ruhiger Stimme, was er machte. Sie stand neben ihm und sah zu. Er bat sie, näher zu kommen, selbst die Hand hineinzustecken und die Leber abzulösen, und das tat sie. Schaute konzentriert hin. Er forderte sie auf, die Leber im Bach zu waschen, und sie ging schweigend mit dem Organ in der Hand los.
Er arbeitete weiter. Als sie bei Dämmerung noch nicht zurück war, ging er zum Wasser, um nach ihr zu schauen. Erst nach einer Weile sah er sie weiter oben am Ufer kauern. Als er sie rief, rührte sie sich nicht. Der Bach war zu laut, dachte er.
Sie kniete, hatte den Kopf auf den Boden gelegt und die Arme vor der Brust gekreuzt. Als er bei ihr war und sie an der Schulter berührte, setzte sie sich langsam auf. Ihr Gesicht war völlig verweint.
Was ist passiert? Was hast du?
Sie wollte ihm zuerst nicht antworten. Mit seiner Hilfe kam sie hoch, schaute dann über das Wasser, als suchte sie etwas. Er half ihr, das Blut und den Dreck von Armen und Gesicht abzuwaschen, und führte sie zu ihrem Lager zurück. Doch sie ertrug den Anblick des Bocks nicht. Als sie aus dem Wald traten und die aufgehängte, blutige Gestalt sahen, blieb sie stehen und wimmerte tief hinten in der Kehle.
Was ist denn?, fragte er.
Ich hab sie verloren, sagte sie und begann vor Verzweiflung zu keuchen. Ich hab sie gewaschen, und dann ist sie den Fluss runtergeschwommen. Ich hab versucht, sie wiederzuholen … Sie fing von Neuem an zu weinen und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
Ist ja gut, sagte er verwirrt. Schon gut. Beruhige dich.
Aber sie beruhigte sich nicht, blieb untröstlich.
Er packte alles zusammen, was sie zuvor ausgepackt hatten, und ritt mit ihr ein kleines Stück weiter, um ein neues Lager aufzuschlagen. Sie setzte sich auf seine Jacke, umschlang ihre Knie und schaukelte auf dem Steißbein vor und zurück. Er entfachte ein Feuer. Es war beinahe dunkel; die Sterne hatten zu leuchten begonnen. Er machte ihr etwas zu essen – Haferbrei – und sah eine Weile zu, wie sie aß. Dann ging er zum ersten Lager zurück, entfachte noch ein Feuer und fuhr fort, den Bock zu zerlegen. Als er damit fertig war, war es tiefschwarze Nacht. Kalt. Er kochte ein Stück vom Herzen und aß es mit Zwiebeln und Pfeffer aus seinen Vorräten. Sein Geist – leer, aber unruhig – wurde vom Geschmack des Fleisches besänftigt. Als er zum anderen Lager zurückkam, schlief das Mädchen eingerollt auf der Seite. Er schichtete noch Holz aufs Feuer, legte sich ihr gegenüber und lauschte lange Zeit den tanzenden Flammen und anderen fernen Geräuschen der Nacht, bis auch er einschlafen konnte.
Du brauchst ja kein Reh zu schießen, sagte er am nächsten Tag zu ihr, weil er glaubte, die Größe des Tieres habe sie überwältigt. Du kannst Kaninchen jagen und Eichhörnchen …
Erst später fiel ihm der am Baum aufgehängte Rehbock ein und was es für das Mädchen bedeutet haben musste, so etwas zu sehen. Wie er ihr gesagt hatte, sie solle ihre Hand in das Tier stecken und eins seiner Organe herausholen, damit sie es essen könnten.
Er brachte ihr bei, wie man das Gewehr reinigte. Als Ersatz für ihren merkwürdigen Aufzug kaufte er ihr Jungenreithosen und wollene Unterwäsche, karierte durchgeknöpfte Hemden und eine Jacke. Außerdem Reitstiefel und einen Schlafsack. Einen schönen,
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