Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
Vom Netzwerk:
alte Frau Gothel, und sagte Ja und legte ihre Hand in seine Hand …«
    Angelene hielt inne und sah Talmadge an, der schlafend in seinem Rosshaarsessel lag, mit offenem Mund, die Zeitung zerknittert auf dem Schoß. Er hatte sie gebeten, ihm vorzulesen – Was ist das für ein Buch, das du da immer mit dir herumschleppst? Wenn es so gut ist, lies mir doch ein Stück daraus vor –, doch sobald sie angefangen hatte, war er müde geworden und eingeschlafen.
    Sie las leise für sich selbst noch ein bisschen weiter, stand dann vom Boden auf, wo sie sich in ein Nest aus Kissen und Decken gekuschelt hatte, und ging zu dem kleinen Spiegel über dem Waschbecken, um sich zu betrachten. Das lange Gesicht, die dunklen Augenbrauen, den zaghaften, nachdenklichen Mund. Wer war sie?, dachte sie. War sie schön? War sie stark?

    Della brauchte zwei Tage, um den Berg hinunterzureiten. Tags darauf erreichte sie die Stadt, in der der Mann lebte, dessen Trupp sie gerade verlassen hatte. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte, doch als sie bei seinem Haus ankam, blieb sie auf dem Gehweg davor stehen. Die Sonne knallte ihr auf den Kopf. Während sie so zögerte, kam ein Mann aus dem Büro und ging an ihr vorbei. Einen Moment später blickte er sich zu ihr um, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Sie hatte sich auch nach ihm umgedreht, schaute jedoch schnell wieder weg. Es war einer der Männer, mit denen sie unterwegs gewesen war, aber er war gewaschen und rasiert, deshalb hatte sie ihn nicht gleich erkannt. Sein Gesicht verzog sich, er wollte ihr seine Missbilligung zeigen.
    Aber sie war schon rasch weitergegangen, die Straße hinunter.
    Danach war es nicht mehr leicht für sie, Arbeit in einem Trupp zu finden, und so beschloss sie, sich gen Westen aufzumachen, wo angeblich Frauen für die Arbeit in Konservenfabriken entlang der Küste gesucht wurden.
    Doch sie hatte Hunger und konnte nicht ohne Geld in der Tasche zur Küste aufbrechen. Sie erwog, ihr Pferd zu verkaufen, entschied sich aber dagegen. Was war sie ohne ihr Pferd? Stattdessen heuerte sie als Kirschenpflückerin im Yakima-Tal an, um über die Runden zu kommen. Sie wurde – zusammen mit anderen Arbeitern und Leuten aus der Gegend – ohne Weiteres eingestellt, und wenn eine Plantage abgeerntet war, fand sie Arbeit auf der nächsten. Vielen begegnete sie von Job zu Job wieder, hier und da sogar einem von Clees Männern; Clee hatte mitunter selbst auf der Plantage oben in Peshastin gearbeitet. Sie sprachen nicht miteinander, aber ein, zwei Mal trafen sich durch das Blattwerk hindurch ihre Blicke.
     
    Wenn Angelene bei Caroline Middey wohnte, musste sie genauso bei den täglichen Arbeiten mithelfen wie auf der Plantage. Zum Teil hatte sie bei Caroline Middey die gleichen Aufgaben zu erledigen wie bei Talmadge, zum Teil andere. Dank ihrer Beziehung zu beiden – jede war einzigartig, aber sie hatten auch vieles gemeinsam –, gab es keinerlei Schimpfen, Drohen oder gar Schreierei. Angelene machte, was ihr aufgetragen wurde, und auch wenn sie manchmal unkonzentriert oder nachlässig war, widerstrebte ihr die Arbeit nicht, sie erledigte sie meistens gern und weigerte sich nicht, das zu tun, was sie von ihr verlangten. Daher überraschte es Caroline Middey, als sie eines Tages, nachdem sie bereits mehrere Stunden draußen im Garten gearbeitet und auf Angelene gewartet hatte, das Mädchen noch drinnen im Bett vorfand.
    Als sie die Schlafzimmertür öffnete, verkroch sich das Mädchen unter der Decke.
    Was ist los?, fragte Caroline Middey. Eine Zeit lang war es still, dann sagte das Mädchen mit hoher, unsicherer Stimme: Ich glaube, ich bleibe heute einfach im Bett, wenn das in Ordnung ist. Ich meine, also – ich bleibe hier nur noch ein bisschen liegen. Ich will einfach …
    Was ist los? Bist du krank?
    Nein …
    Komm mal unter der Decke raus, ich kann dich nicht verstehen.
    Nach kurzem Zögern tauchte das Mädchen langsam auf. Und brach in Tränen aus.
    Was ist denn los?
    Ich weiß nicht. Nichts. Ich möchte heute einfach nur nichts tun, ich möchte hier noch ein bisschen liegen, ich muss nachdenken …
    Caroline Middey stand da und sah sie an.
    Angelene versteckte sich bald wieder unter der Decke. Sie hörte, wie Caroline Middey das Zimmer verließ, und dachte, damit sei die Sache erledigt. Sie, Caroline Middey, würde weiter im Garten arbeiten, und Angelene würde entweder von ihrem schlechten Gewissen hinausgetrieben werden oder es schaffen, so lange im

Weitere Kostenlose Bücher