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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Bett zu bleiben, wie sie wollte – aber wie lange war das? Wie sollte sie einen klaren Gedanken fassen, wenn sie sich schuldig fühlte? Aber eins stand fest: Dafür, dass Talmadge nichts von dieser Sache erfahren würde, war es zu spät. Das erfüllte sie mit Furcht und Scham, und sie vergrub sich noch tiefer unter ihre Decke.
    Doch Caroline Middey ging nicht in den Garten. Sie kam ein paar Minuten später ohne Hut und Schuhe zurück, in ihrem Hauskleid, und brachte Kaffee und einen Teller mit Toast.
    Rück rüber, sagte sie, und Angelene, die jetzt wieder unter der Decke hervorgekommen war, rutschte ein Stück zur Seite. Caroline setzte sich neben sie aufs Bett. Die Matratze quietschte.
    Angelene nahm schüchtern vom Toast und Kaffee. Caroline Middey aß auch etwas, die Decke über den Beinen. Sie kaute nachdenklich und schaute aus dem hohen Fenster. Der Efeu da draußen musste geschnitten werden.
    Also, was ist los?
    Angelenes Mund zitterte, und sie musste ihren Toast auf den Teller zurücklegen. Sie blickte ernst auf ihren Schoß.
    Ich weiß nicht, was ich machen soll.
    Wie bitte?
    Ich hab gesagt, ich weiß nicht, was ich machen soll.
    Womit?
    Mit … meinem Leben.
    Sie schwiegen. Caroline Middey aß weiter.
    Ich weiß nicht, warum ich zur Schule gehe, sagte Angelene unsicher.
    Caroline Middey nickte kurz, um sie zum Weiterreden zu ermuntern.
    Alles, was wir machen, sagte Angelene, also, ich meine – hier wurde sie nervös –, ich und du und Talmadge, wir machen die ganze Zeit immer dasselbe, und nichts ändert sich, und ihr müsst das jeden Tag tun, und ich … also, warum? Ich will damit nicht sagen, dass ich es nicht gern tue, denn das stimmt nicht, aber ich verstehe nicht,
warum …
sogar das Lernen, oder überhaupt irgendwas, also, ich hab gedacht …
    Doch dann verstummte sie. Sie wusste nicht weiter. Sie würde gleich wieder anfangen zu weinen. Dies war weit von dem entfernt, was sie hatte sagen wollen, aber sie hoffte, dass Caroline Middey dahinterblicken könnte und verstehen würde, was sie wirklich meinte.
    Nach einer langen Pause, so lang, dass Angelene schon dachte, sie würde gar nicht antworten, seufzte Caroline Middey und klopfte Angelene leicht auf die unter der Decke liegende Hand.
    Mein Liebes, sagte sie. Eins möchte ich dir sagen, und ich hoffe, du wirst es bis ans Ende deiner Tage im Gedächtnis behalten.
    Angelene war, als ob ihr Körper sich vor gespannter Erwartung auflösen würde. Das war es, was sie wollte, endlich: dass jemand ihr
die Antwort
gab.
    Egal, wie schlecht es dir geht, sagte Caroline Middey und sah das Mädchen jetzt an, oder für wie schlimm du deine Lage hältst, es gibt immer jemanden, dem es noch schlechter geht, der in noch schlechterer Verfassung ist als du. Und deshalb solltest du dich nie, nie im Leben beklagen. Niemals.
    Und dann seufzte sie wieder, klopfte erneut über der Decke Angelenes Hand, wischte ein paar Toastkrümel von ihrer Brust auf den Teller und stand auf. Ohne Angelene anzusehen, sagte sie: Du kannst hier liegen bleiben, solange du willst. Ich werde dir nicht sagen, was du tun sollst. Du wirst allmählich erwachsen, du bist ein großes Mädchen. Versuch, deine Gedanken aus dem Weg zu räumen, oder tu, was immer du möchtest, was immer du tun musst. Ich bin draußen.
    Nachdem sie gegangen war, legte Angelene sich auf den Bauch und weinte leise und heiß in ihr Kissen. Dann stand sie auf, wusch sich das Gesicht und zog sich an. Sie ging zu Caroline Middey in den Garten, und die ältere Frau empfing sie ohne Aufhebens, sie bat sie, auf die Rettiche achtzugeben, die seien empfindlich und sie habe schon einen beschädigt, weil sie sich mit ihrem Wachstum nicht auskenne. Angelene nickte und hörte ihr zu. Bei der Arbeit begann das Gefühl, mit dem sie aufgewacht war – die Lebensangst –, bald zu schwinden, und sie fühlte sich gut. Ja mehr als das – sie fühlte sich erleichtert, erfrischt, obwohl sie das nicht zugegeben hätte, auch Caroline Middey gegenüber nicht, die ihr sanft die Hand auf die Schulter legte, als sie an ihr vorbeikam, um den Salat weiter hinten im Beet zu begutachten.

    In ihrer Zeit als Obstpflückerin gab es eine Frau, die Dellas Nähe zu suchen schien. Sie war ungefähr so alt wie sie, aber sehr klein und rundlich, mit einem runden, spitzen, wühlmausartigen Gesicht, und hatte ihr dunkles Haar mit einem roten Tuch zurückgebunden. Sie arbeitete auf der ersten Plantage direkt neben Della und plapperte während des

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