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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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pochte noch stärker.
    Was hast du heute Abend gemacht?, fragte sie Jane, und Jane sagte: Ich hab ihm ein Lied gesungen. Oder: Ich hab ihm eine Geschichte vorgelesen. Sie hatte eine Brandwunde – feuerrot – auf dem Handrücken, eine am Hals. Die Haare fielen ihr aus.
    Und eines Tages, als Della den Flur entlanglief, kam sie an einem Schlafzimmer vorbei, dessen Tür gerade zuging, und sah Michaelson mit dem Rücken zu ihr nackt auf einem Bett liegen und Jane, die hinter ihm saß, ihren Körper – ebenfalls nackt – um seinen schlingen. Die Tür wurde von einem Mann ohne Hemd geschlossen.
    Wo ging Della danach hin? Nicht in das Zimmer, in das man sie geschickt hatte – und sie würde später dafür bestraft werden –, sondern nach draußen, in die Scheune, wo sie in ihrer Wut an den Satteln nagte, die an der Wand hingen, und Heu fraß und sich Haare ausriss und weinte, bis sie erbrach.
    Sie hasste Michaelson. Und was bedeutete das, ihn zu hassen? Nicht, dass sie sich wünschte, er wäre tot, obwohl sie nichts dagegen gehabt hätte, sondern dass sie wünschte, er wäre nie geboren worden. Und aus ähnlichen Gründen hasste sie auch Jane und sich selbst.
    Sie hasste die Welt.
    Als Michaelson auf die Plantage kam und Jane ihn entdeckte – sie und Della waren mit dem Baby im Körbchen mitten auf dem Feld stehen geblieben, bevor sie wussten, dass etwas nicht stimmte –, sagte sie zu Della, sie solle zum Canyon zurückgehen und das Baby an einer Stelle, die sie ihr früher gezeigt hatte, in den Bach legen. Della hätte nie gedacht, dass es dazu kommen würde. Geh los, sagte Jane, ohne den Blick von dem Mann zu wenden, der vor dem Aprikosengarten stand und ihr zuwinkte. Michaelson. Wir treffen uns im Himmel, sagte Jane, mit flacher Stimme. Es wird alles gut. Della solle das machen, was sie ihr gesagt habe, und sich dann an der Wegbiegung, bei ihrem Werkzeugversteck, mit ihr treffen.
    Della ging also in den Canyon zurück und zu der Stelle, über die sie gesprochen hatten: wo das Wasser tief genug war, um den Säugling zu ertränken. Sie stand am Bachufer und hielt den Korb mit dem Baby hinein, bis sie merkte, dass sie es nicht konnte. Sie nahm das Kind mit zur oberen Hütte. Hob es aus dem Korb. Legte es hinter der Hütte in eine Mulde am Fuß des Hügels. Bedeckte es mit Zweigen und Blättern, aber nur so vielen, dass es noch atmen konnte. Das Baby weinte, und Della besänftigte es. Er wird dich finden, sagte sie. Sei still. Auf dem Weg hinunter warf sie den leeren Korb in die Luft; er verfing sich in den unteren Ästen eines immergrünen Baums.
    Jane saß schon auf dem Ast der Eiche, als Della dort ankam. Was machst du?, fragte Della, obwohl sie es vorher besprochen hatten. Doch wieder dachte sie, es würde nie dazu kommen oder Jane würde es letztlich nicht wahrmachen. Sie wusste nicht, warum sie daran zweifelte, denn Jane führte ihre Pläne immer bis ins letzte Detail aus. Und sie hatte gesagt, wenn Michaelson je auftauchte, um sie zu holen, würde sie sich umbringen. Della hatte glauben wollen, das sei nur so eine Redensart, eine Übertreibung. Wir können doch weglaufen, hatte sie kleinlaut gesagt. Aber Jane wollte nicht weglaufen. Er wird uns finden, sagte sie. Ich will nicht dahin zurück, nie mehr. Und, nicht an jenem Tag, sondern vorher, in der Dunkelheit des Zimmers, in dem sie schliefen: Wir sind für dieses Leben verflucht. Es klang wie ein Echo: So als hätte das mal jemand zu ihr gesagt und sie wiederhole es jetzt.
    Della wusste, dass Jane, so wie sie von ihrer Mutter sprach, Vorstellungen von einem anderen Leben hegte: vom Himmel. Die Einzelheiten waren unklar. Doch ab einem bestimmten Punkt war Jane bereit, in jenes andere Leben hinüberzuwechseln, wenn es nur ein rasches Verschwinden aus dem hiesigen möglich machte.
    Hast du …?, fragte Jane, doch sie konnte Della nicht in die Augen blicken. Sie wollte wissen, ob Della das Baby ertränkt hatte. Sie hielt das Seil – die Schlinge – in ihren Händen. Streifte sie sich über den Kopf, nahm sie wieder ab. Verstellte sie, streifte sie sich erneut über. Ungeschickt. Della, die mithilfe einer Reihe von Nägeln, die sie vorher in den Baum geschlagen hatten, auf den Baum geklettert war, setzte sich auf den Ast neben sie, schwitzend und still, und nahm ihre eigene Schlinge in die Hand.
    Della wollte ihr sagen, dass sie das Baby verschont habe.
    Am Eingang zum Canyon regte sich etwas. Die Männer kamen.
    Wie wir es besprochen haben, sagte

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