Im Mittelpunkt Yvonne
Donald Lam«, sagte er, »dann werden Sie nicht böse, wenn ich den Hörer mitten in Ihrer Rede auflege.«
»Und Sie dürfen nicht böse sein, wenn ich, sollte ich wieder einem Mord auf die Spur kommen, ganz einfach vergesse, Ihnen das zu melden.«
Er sah mich grübelnd an und sagte: »Ein unglaublicher Knabe! Benutzt meine eigenen Worte, um mir später einen überbraten zu können! Aber davon wollen wir jetzt nicht reden. Im Augenblick ist für mich nur eins wichtig: Ob Sie einen Rat wissen, wie ich aus dieser peinlichen Lage herauskomme!«
»Vielleicht.«
»Schon besser.« Sellers’ Gesicht hellte sich etwas auf. »Und was meint das kluge Köpfchen?«
»Wir werden noch etwas mehr über Corning in Erfahrung bringen, ehe wir diese Akten schließen«, sagte ich. »Halten Sie die Sache hin, solange Sie können. Der Mann muß Wells den Tip gegeben haben, zu verduften.«
»Nun hören Sie mal zu, Sie Falkenauge«, sagte Sellers. »Ich bin vom Morddezernat, vergessen Sie das nicht! Sie glauben doch wohl nicht, daß ich mich mit einem dummen Schwindel aus der Affäre ziehen kann — als Beamter des Morddezernats!«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie unbedingt eine Leiche haben müssen?«
»Einen guten Ausweg will ich. Wissen Sie einen?«
»Bisher noch nicht«, erwiderte ich.
»Schwebt Ihnen wenigstens einer vor?«
»So halb und halb erst.«
»Na ja«, verkündete er kummervoll, »Einfälle haben Sie ja immer ’ne Menge mehr als ich. Sehen Sie bloß zu, daß der halbe, den Sie jetzt haben, bald ausreift. Und wenn er Hand und Fuß hat, rufen Sie mich an.«
7
Dieser Freitagmorgen versprach einer der schönen südkalifornischen Tage mit blauem Himmel und warmer Sonne zu werden. Die schneebedeckten Berggipfel waren kristallklar umrissen und die Luft vom Geruch sprossender Pflanzen erfüllt.
Ich frühstückte in dem Restaurant, wo ich Stammgast war: weiche Eier, Toast nur mit Marmelade und Kaffee.
Noch einmal ließ ich mir die ermittelten Angaben aus dem Standesamtsregister durch den Kopf gehen. Drury Wells hatte sich mit Estelle Ambler verheiratet. Für eine Scheidung war kein Anhaltspunkt zu finden. Estelle Ambler hatte als Wohnort Sacramento eintragen lassen. Ich notierte mir das, besorgte mir ein Telefonbuch dieser Stadt, suchte den Namen Ambler und fand eine Mrs. Gordon Ambler unter der von Estelle angegebenen Adresse, dazu die Telefonnummer.
Ich meldete sofort ein Ferngespräch an.
»Ist Estelle zu Hause?« fragte ich, als ich die Verbindung hatte.
»Im Moment nicht, aber sie wird in etwa einer halben Stunde wieder hier sein. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?« fragte mich die weibliche Stimme.
»Nein, danke, ich werde später wieder anrufen«, erwiderte ich und hängte ein.
Ich schrieb mir die Gebühren des Telefongesprächs auf und Versah zu diesem Zweck ein neues Blatt in meinem Notizbuch mit der Überschrift »Unkosten schwebender Fall<.
Danach rief ich die Luftfahrtgesellschaften an. Eine Convair Wartete in siebenundvierzig Minuten direkt nach Sacramento.
Ich ließ einen Platz buchen, bestieg unsere Agenturkutsche und kam schneller, als ich dachte, zum Flughafen. Allerdings fand ich nicht mehr die Zeit für einen Anruf bei Bertha, denn als ich den Wagen geparkt und mein Ticket abgeholt hatte, wurde schon zum Anbordgehen gerufen. Ich mußte im Laufschritt zu meinem Flugzeug eilen. Während ich mir den Haltegurt umschnallte, überlegte ich, was für Berthas Blutdruck schlimmer sein mochte: Wenn ich einen Tag unsichtbar blieb oder sie durch ein Ferngespräch aus Sacramento über meinen Aufenthaltsort unterrichtete. Ach, die Wirkung ist ja in beiden Fällen die gleiche, sagte ich mir und lehnte mich gemütlich in die Polster zurück, um auszuruhen.
Fast immer wiegt mich das gleichmäßige Dröhnen der Flugzeugmotoren schnell in Schlaf, aber diesmal gelang es nicht. Ich kippte meinen Sessel zurück und schloß die Augen, doch da begannen meine Gedanken erst richtig durcheinanderzuwirbeln. Also klappte ich die Sesselwand wieder hoch und sah aus dem Fenster.
Unter uns zog sich die alte Landstraße an den Hängen des Gebirges in Windungen dahin. Zwei hohe Bergspitzen blieben links hinter uns zurück, als wir über dem Tal von San Joaquin dahinglitten. Tief unten sah ich als winzige Fleckchen die Autos, die langsam wie Käfer auf der Chaussee zu kriechen schienen. Weit rechts von uns zogen die Schneegipfel der Sierra Nevada in feierlicher Prozession vor dem blauen Himmel an uns vorüber.
Ich
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