Im Mond des Raben
schwer es war, ihre junge Schülerin zu enttäuschen.
»Eine Kriegerin lässt sich durch eine kleine Verletzung nicht vom Training abhalten«, entgegnete Sabrine und sah dabei fast ebenso empört aus wie eine Nonne, die sich einem See voller badender Männer gegenübersah.
»Ihr seid keine Kriegerin«, rief Brigit kichernd, »sondern eine Frau.«
Sabrines Augen wurden schmal, als wäre ihr diese unbestreitbare Tatsache nicht besonders angenehm. »Unter Umständen können wir uns morgen Zeit dafür nehmen.«
»Und vielleicht könnte meine Mama ja mitkommen.«
»Das muss sie«, erwiderte Sabrine in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Ich werde morgen in die Küche gehen und sie selbst zu unserem Spaziergang in den Wald einladen.«
Brigits Lächeln war jede Mühe wert, die es erfordern mochte, den Spaziergang zu unternehmen, ohne dass Rowland oder seine Schergen sich an ihre Fersen hefteten. Verica ging in Gedanken schon die Liste ihrer Kräuter durch, die den Männern ins Frühstück gemischt werden konnten, um sie außer Gefecht zu setzen.
An die Konsequenzen ihres Tuns, falls sie erwischt wurde, durfte sie gar nicht denken. Es war furchtbar riskant, aber es musste sein.
Um Brigits und ihrer aller willen.
Beim Lachen der Frauen, das aus seinem Zimmer kam, verhielt Barr an der Tür den Schritt. Die plötzliche Erkenntnis, dass solche Geräusche, anders als früher bei den Sinclairs, hier nichts Alltägliches waren, ließ ihn buchstäblich erstarren.
Ein Clan-Führer trug die Verantwortung für das Wohlergehen seiner Leute. Mangelnde Freude unter ihnen war ein Anlass zur Sorge, doch das war auch seine eigene Blindheit gegenüber dem Problem.
Er lebte nun schon seit fast einem Monat bei den Donegals und hatte nicht einmal bemerkt, dass hier so gut wie niemand lachte. Er hatte erst eine weitere Fremde hierher bringen müssen, um sich der Freudlosigkeit auf dieser Burg bewusst zu werden.
Andere Dinge, wie die Abgrenzung der Chrechten von dem Clan und ihren menschlichen Gegenstücken, waren ihm allerdings nicht entgangen; Barr hatte nur bis heute nicht erkannt, wie tief die Kluft zwischen ihnen war. Das Fehlen männlicher Chrechten seiner Altersgruppe war ebenfalls sehr merkwürdig. Ihre Kinder waren hier, wie auch einige ihrer Älteren, doch das Rudel war nicht nur klein, wie Talorc und er vermutet hatten, bevor Barr zu den Donegals gekommen war, sondern fiel auch durch eine seltsame Unausgewogenheit der Altersgruppen auf.
Der Wolf stand draußen vor der Tür, und Sabrine fragte sich, warum er nicht hereinkam. Sein Geruch war teilweise kaschiert, als wäre er genau wie sie fast ständig auf der Hut vor Entdeckung. Trotzdem war sie sich seiner Anwesenheit bewusst geworden, noch bevor er die Tür erreicht hatte. Und ihr Körper reagierte schon auf unerklärliche, aber unbestreitbare Weise auf Barrs Nähe.
Ja, ihr Rabe brannte schier darauf, sich auf seinen Schoß zu setzen und mit dem Schnabel seinen Nacken und seinen Kopf zu kraulen.
Die Frau in ihr wollte jedoch viel mehr als das, und die Kriegerin, zu der sie ausgebildet worden war, war verängstigter als je zuvor in ihrem Leben.
Weil der Kampf gegen ihre Instinkte womöglich schon verloren war.
Dann schwang die schwere Tür nach innen auf. Jäh verstummte Brigits helles, mädchenhaftes Lachen, und ihr Gesicht wurde ganz verkniffen vor Furcht, die sie verzweifelt zu verbergen suchte.
Barrs Schultern füllten fast den Türrahmen aus, als er hereinkam. Er lächelte, doch sein Blick hatte etwas Wachsames, das Sabrines Neugier weckte. »Ihr beide scheint unseren Gast ja gut zu unterhalten«, sagte er zu Verica und Brigit.
»Sie erzählte uns gerade eine lustige Geschichte, Laird.« Sichtlich erleichtert, dass Barr der Besucher war, senkte Brigit schüchtern lächelnd den Kopf.
Barr streckte die Hand aus und zauste dem Mädchen das Haar, während er Sabrine einen fragenden Blick zuwarf. »Hat sie das?«
Brigit schaute wieder zu ihm auf, und ein schwärmerischer Ausdruck der Verehrung und Bewunderung ließ ihre Augen glänzen, als sie nickte.
»Vielleicht wird sie mir die Geschichte später erzählen müssen.« Wieder sprach Barr zu dem jungen Mädchen, ohne den Blick von Sabrine abzuwenden.
Die Hitze, die sie in seinen Augen sah, sprang auf sie über wie Funken aus dem Kamin, und sie hatte das Gefühl, an Stellen versengt zu werden, die noch kein Mann je berührt hatte.
Sabrine glaubte nicht, dass sie ihm die Geschichte, die sich um ihre
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