Im Mond des Raben
Missachtung seiner Anweisungen kämpfte mit einem Gefühl des Stolzes, dass diese großartige Frau seine Gefährtin war. Was sie sich dabei gedacht hatte, wie ein Krieger gekleidet und mit einem Schwert am Gürtel hier aufzutauchen, konnte er sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, doch ihr Anblick genügte, um ein scharfes Ziehen in seinen Lenden zu erzeugen.
Das Schimpfwort, das Rowland im selben Moment ausstieß, entschied über Barrs Gefühle und ließ den Stolz fast augenblicklich überwiegen.
»Ihr werdet gegen meinen Stellvertreter kämpfen«, versprach er dem ehrlosen Unhold.
Rowland fuhr herum und bedachte sein früheres Rudel mit einem Blick, der wie eine flehentliche Bitte war, aber so gar nicht zu den blasierten Gesichtszügen des Mannes passte.
»Wird denn keiner meiner Brüder vortreten, um dieses Duell für seinen alten Laird auszutragen?« Bei Rowlands Betonung des Wortes alt verdrehte Barr die Augen.
Einige der Chrechten wirkten unangenehm berührt, doch keiner von ihnen schien bereit zu sein, für den Schuft nach seinem Schwert zu greifen.
Earc legte sein Plaid ab und warf es beiseite. Da es nach Chrechte-Gesetz einem Wolf, der seine Verwandlung noch nicht unter Kontrolle hatte, erlaubt war, hielt er seinen Dolch in der Hand.
Rowland warf einen verächtlichen Blick auf die Waffe. »Was willst du denn damit, Junge? Den wirst du nicht mehr halten können, sobald du dich verwandelst.«
»Ich verwandle mich nur bei Vollmond«, sagte Earc ohne Scham in der Stimme.
Die Grimasse, die Rowland schnitt, konnte kaum als Lächeln bezeichnet werden, aber der Mann war zweifellos erfreut über die Neuigkeit. Eine boshafte Genugtuung leuchtete in seinen Augen auf.
Der alte Narr.
Vielleicht hatte er seine Chrechte-Krieger nicht dazu ausgebildet, ihre Brüder in veränderter Gestalt zu bekämpfen, doch Talorc hatte es bei den Sinclairs nicht versäumt. Er hatte dafür gesorgt, dass jeder Soldat in seinem Clan sich im Kampf gegen einen Chrechten behaupten konnte. Und die Chrechten wurden alle einem harten Training unterzogen, bis sie einen anderen Wolf in veränderter Gestalt bekämpfen konnten. Earc war außer von Talorc, Niall oder Barr noch nie bezwungen worden.
Und dass auch sie noch niemals von einem anderen Krieger besiegt worden waren, ließ nicht gerade auf Schwächen in Earcs kämpferischen Fähigkeiten schließen.
In Sekundenschnelle hatte Rowland sich in einen Wolf verwandelt und Earc genauso unversehens angegriffen. Kein Wunder, dass dieser Mann in Wolfsgestalt so gefürchtet war! Rowland war bestimmt so groß wie Barr als Wolf und hatte einen so wilden Blick in seinen Raubtieraugen, dass die meisten Chrechten zögern würden, bevor sie sich auf einen Kampf mit ihm einließen. Doch weder Earc noch Barr waren wie die meisten Chrechten. Und mit etwas Glück würden sie auch die Donegal-Chrechten eines Tages dazu ausgebildet haben, so gute Soldaten wie sie selbst zu sein.
Rowlands schnelle Verwandlung und Angriff zeigten, dass er immer noch so beweglich wie viele der jüngeren Wölfe war. Doch nicht mal das würde ihm viel nützen.
Die ganze Aktion, obschon beeindruckend, war ein schmutziger Trick von ihm, der schon an einen Verstoß gegen die Kampfesregeln grenzte. Barr biss die Zähne zusammen angesichts dieser unverfrorenen Missachtung der Regeln, doch er beherrschte seinen ersten Impuls, sich zu verwandeln und dem alten Wolf die Kehle durchzubeißen.
Earc würde das Duell problemlos meistern, dessen war sich Barr ganz sicher. Und seine Zuversicht erwies sich als berechtigt; die ehrlose Attacke brachte dem früheren Laird absolut nichts ein.
Earc war bereit für das mächtige Tier und wehrte es mit einem zeitlich gut abgepassten Stoß gegen die Brust ab, der den Wolf zu Boden warf. Rowland war jedoch mit einem Satz wieder auf den Beinen. Knurrend bleckte er die scharfen Zähne, schüttelte den großen Kopf und schleuderte Sabber in alle Richtungen.
Earc grinste und spottete: »Soll ich jetzt beeindruckt sein, du hässlicher Sohn einer räudigen Hündin?«
Der Wolf sprang wieder los, aber Earc bot ihm keine Schwachstellen in seiner Deckung, und diesmal stieß er mit dem Dolch nach der Flanke des Wolfes, während er ihm auswich.
Talorc hatte sie gelehrt, einen Wolf durch Blutverlust zu schwächen, bevor sie zum entscheidenden Schlag ausholten. Denn dies zu früh zu tun bedeutete, eine Verwundung zu riskieren, die sehr gut zu einem langsamen und qualvollen Tod führen konnte, nachdem ein
Weitere Kostenlose Bücher