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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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fahlen Licht bald aus wie ein sprechender Fleck auf dem Boden. »Menschen vertragen die Pilze nicht. Das Volk kümmert sich darum. Seid unbesorgt, Herr, das Volk versteht unerwünschten Sporenbefall zu heilen.
    Zu Euren Freunden muss ich nun, damit sie einen Übersetzer haben, wenn sie erwachen. Euch habe ich gesagt, was mir aufgetragen wurde. Die Königin erwartet Euch, edler Gast!«
    Er verschwand. Gontas blieb allein mit den beiden Insektenwesen zurück. Wie lange wollten sie noch an ihm herumschrubben? Wie sauber musste ein Mensch sein, damit er würdig war, vor die Königin dieses Volk es zu treten?
    Endlich schienen die Wäscher zufrieden zu sein. Sie fassten Gontas an den Armen und zogen ihn auf die Füße wie ein kleines Kind. Dann schoben sie ihn durch den Gang. Gontas streckte eine Hand aus. Die Wand fühlte sich glatt und hart an, zugleich aber auch warm und lebendig.
    Er war immer noch nackt. Kaum der geeignete Aufzug für einen Empfang bei der Königin. Gontas sah seine Begleiter an und wollte protestieren. Aber die riesigen Ameisen trugen selbst nichts als den Panzer, den die Geister der Natur ihnen auf den Leib geschneidert hatten. Gontas ging davon aus, dass den Myrmoi der Sinn für menschliche Förmlichkeiten fehlte. Als Gast würde er die Gebräuche dieses Volkes dulden müssen.
    Wie mochte die Königin aussehen? Gontas dachte an das, was er in seiner Kindheit in manchem zerstocherten Ameisenbau gesehen hatte. Die Erinnerung erfüllte ihn mit einem vagen Abscheu.
    Seine beiden Begleiter führten ihn durch den röhrenartigen Gang, bis dieser vor einem Vorhang endete. Unter Gontas’ Fingern fühlte sich der Stoff an wie eine dünne Haut, und er schien einfach aus der Wand zu wachsen.
    Gontas schlug den Vorhang zur Seite, und ein strahlendes Licht empfing ihn. Er blinzelte. Eine Ameisenwache schob ihn weiter, blieb selbst aber zurück.
    Gontas stand in einer riesigen runden Halle. Das Licht kam von allen Seiten zugleich, ein weißes Strahlen, heller als der Schimmer im Gang, aber kein Tageslicht. Gontas gewöhnte sich rasch daran. Der Boden unter seinen Füßen war weich, ausgelegt mit moosähnlichen Matten, die Gontas nun als Ballen aus feinen Fasern erkannte. Ein würziger Duft erfüllte den Raum. Im ersten Augenblick glaubte Gontas, die Königin hätte ein fremdartiges Festmahl für ihn auftragen lassen, doch er sah sich um und entdeckte nichts dergleichen.
    Die Halle war beinahe leer. Rundliche Gebilde, so groß wie Köpfe, lagen überall im Moos. Sie fühlten sich rau an und hart wie kleine Felsbrocken. Dazwischen stand eine einzelne menschenähnliche Gestalt. Sie hielt die Arme halb erhoben wie zu einem Gruß.
    Die Königin der Myrmoi war völlig anders, als Gontas erwartet hatte. Tatsächlich sah sie menschlicher aus als ihre Untertanen. Sie war kleiner, kaum größer als Gontas, und breiter gebaut, rundlicher, könnte man sagen, auch wenn das ihr einziges Zugeständnis an weibliche Formen darstellte. Ihr Leib war mit höckrigen Panzerplatten bedeckt, die sie beweglicher machten als ihre Artgenossen. Sie sah ein wenig aus wie ein Mensch in Plattenrüstung, nur dass sie zwei Arme mehr hatte.
    Ihr Kopf war runder und größer als der ihrer Ameisenkrieger, und dem Mund fehlten die Kieferklauen, was das Gesicht sanfter wirken ließ; ebenso erinnerten die Greifwerkzeuge an den Armen der Königin mehr an plumpe Finger als an Zangen.
    Gontas trat auf sie zu. Er fühlte sich fast zu ihr hingezogen, fand sie auf eine eigentümliche Art reizvoll, mehr trotz als wegen ihres Aussehens. Er fragte sich, ob allein der Unterschied zu den noch fremder und härter wirkenden Ameisenwesen ihre Gegenwart angenehmer machte.
    Er gab der Königin die Hand, sie schloss die Finger darum, die sich hart und knochig anfühlten und die so kräftig waren wie der Griff einer Zange. Sie zog Gontas zu sich.
    Der Duft in der Halle veränderte sich. Gontas erkannte, dass es die Königin selbst war, von der dieser Duft ausging. Er hüllte Gontas ein, fremd und schwer und mannigfaltig. Er atmete tief und konnte nicht aufhören, versuchte, die Vielfalt der Gerüche zu ergründen. Gewürze, fremde Aromen, aber auch Schärfe und Bitterkeit, unangenehme Noten …
    »Was?«, fragte er verwirrt. Einen Augenblick lang hätte er schwören mögen, dass die Königin zu ihm gesprochen hatte. Aber das konnte nicht sein. Ihre scharfen Nussknackerlippen hatten sich nicht bewegt. Die Zeit seit seinem Eintreten war in absoluter Stille verstrichen,

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