Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
nicht mittendrin liegt in ’nem Dreck. Sollten echt mal die Augen aufhalten nach ’ner Spur von Tarukan und seinen Nomaden. Wenn’s nämlich kein freies Land mehr gibt und wir den richtigen Weg nicht finden, dann laufen wir sauber vorbei an unserm Ziel.«
»Wenn der weiße Wald kein Ende hat«, befand Mart, »sind wir eh auf dem Weg in die Hölle.«
»Hab immer schon gesagt«, fügte Tori hinzu, »dass die Wasser des Lethe bitter schmecken.«
Gontas schüttelte den Kopf.
Keiner von ihnen verspürte noch Lust, durch den Fluss zu waten. Ihre Kleidung wäre im Nu durchweicht gewesen von dem Wasser und von allem, was darin schwamm. Die Vorstellung allein war schlimmer als die schleimigen Fäden, die beim Marsch durch den Wald an ihrer Kleidung kleben blieben. Sie wählten also einen anderen Weg und wanderten weiterhin nach Norden.
Es wurde schlimmer von da an.
Ob der Anblick des Flusses die Hoffnung der beiden Söldner gedämpft hatte, ob der Weg beschwerlicher wurde oder aus anderen Gründen – sie kamen jedenfalls langsamer voran. Mart und Tori versanken in ein dumpfes, brütendes Schweigen. Sie trotteten kraftlos dahin, und immer öfter musste Gontas die Spitze übernehmen, sein Dromedar gegen Marts Schwert eintauschen und den Weg freischlagen durch Kaskaden von schleimigen Ranken.
Es dämmerte. Das Licht schwand in der schillernden Oberfläche, die weißen Pilzstämme wurden grau unter den Hüten. Da erschreckte ein Laut ihr Dromedar. Es riss sich los und rannte davon, brach durch glasklare Vorhänge und schwammiges Unterholz.
Mart und Tori liefen hinterher und riefen aufgeregt nach dem Tier.
Gontas folgte ihnen und fluchte. »Ruhig. Ruhig! Ihr verjagt es erst recht!«
Die Spur war leicht zu verfolgen, Mart und Tori brauchten Gontas’ Hilfe nicht. Aber sie holten das Dromedar nicht mehr ein, bevor es dunkel wurde. Eine Weile setzten die drei ihren Weg in der Finsternis fort, aber die beiden Söldner taumelten bald und konnten nicht weiter.
In dieser Nacht machten sie sich keine so große Mühe mit ihrem Lager. Sie sanken nieder, wo sie gerade standen, ohne sich um den schleimigen Grund zu scheren. Sie hatten ohnehin nicht mehr genug Decken und Taschen, um alles abzudecken, und selbst wenn sie das Packtier nicht verloren hätten, wäre das Gepäck darauf genauso schleimüberzogen gewesen wie der Wald.
Mart und Tori hatten Fieber, als sie am nächsten Tag erwachten. Sie hatten schorfige rote Flecke auf der Haut, die juckten und brannten. Tori weigerte sich, den Haken anzulegen, weil ihr Armstumpf aufgerissen war und wund. Sie schnallte die Sichel an ihr Gepäck.
Mart murrte. »Und wie willst du uns den Weg freischneiden?«
»Mach du«, sagte Tori.
Sie kamen schwer hoch an diesem Morgen und saßen matt und mit gesenkten Köpfen beim Frühstück. Tori zitterte, obwohl es nicht kalt war.
Gontas brach schließlich allein auf, um nach dem Dromedar zu suchen. Nach einer Stunde hatte er das Tier noch immer nicht gefunden, und die Spur, so breit sie am Vorabend gewesen war, wirkte an manchen Stellen schon trügerisch – fast so, als wäre noch anderes großes Getier durch den Wald gebrochen und hätte sich einen Weg gebahnt; oder als würden die Schneisen in dem weichen Gehölz sich unnatürlich schnell schließen, sodass die Fährte des Packtiers nicht mehr von den natürlichen Lücken im Bewuchs zu unterscheiden war.
Dazu kam der allgegenwärtige Schleim, der überall rann und tropfte, der Breschen füllte und sich über jede Fährte legte. Gontas machte kehrt, aus Sorge, dass er sonst seine Gefährten in dem stillen Pilzwald nicht wiederfinden würde.
Am Lager scheuchte er Mart und Tori hoch und trieb sie weiter. Inzwischen waren die drei Wanderer so mit dem Schleim bedeckt, dass sie selbst aussahen wie Pilze, die sich in Bewegung gesetzt hatten, um ihrem Wald zu entkommen. Immer wieder wischten sie sich durch das Gesicht, aber damit verteilten sie die zähe Masse nur. Und sie hatten kein sauberes Stück Stoff mehr dabei, mit dem sie sich sauber wischen konnten.
Der Schleim wurde körnig auf der Haut. Darunter blühte bei Mart und Tori der Ausschlag und schuppte sich. Gontas blieb gesund, aber seine Begleiter hielten sich an ihm fest oder aneinander, immer wieder sanken sie zusammen und brauchten eine Rast, immer wieder musste Gontas sie antreiben.
Sich selbst überlassen, blieben Mart und Tori einfach sitzen, mit glasigen Augen, so als wären sie in dem Schleim gefangen wie das unglückliche
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