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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Seine Finger zuckten, als wollte er jemanden erwürgen. Er seufzte. »Wir sind so weit gekommen, da können wir auch noch den Rest dieses Ortes erkunden, bevor wir einen Entschluss treffen. Na los, Buschläufer. Du gehst voraus. Wer weiß, was für unheilvolle Überraschungen uns auf dem Weg noch erwarten.«
    Gontas zögerte. Isme stieß ihr Schwert in seine Richtung und trieb ihn an. Gontas kroch über den klappernden Steg, richtete sich auf und stützte sich an der Wand ab.
    Außer ihm hatte keiner gehört, was Halime zuletzt vor sich hin gemurmelt hatte: »Haltet es auf. Zerschlagt das Glas. Haltet das Licht auf.«
    Gontas wäre ihrem Rat nur zu gerne gefolgt, allein darum, weil Tarukan das Gegenteil befohlen hatte. Aber das Glas war dick, Gontas war schwach, und er hatte kein Werkzeug außer der hölzernen Krücke. Er wusste, dass er nichts ausrichten konnte gegen eine Konstruktion, die Äonen überdauert hatte.
    Die Außenwand aus Metall und die innere Röhre aus Glas lagen so dicht beisammen, dass Gontas sich an beiden Seiten abstützen konnte. Nur an manchen Stellen änderte sich der Weg. Dann führte der Steg mit Stiegen über die Glasröhre hinweg und lief auf der anderen Seite weiter, oder die gläserne Hülle verschwand ganz, und sie mussten durch ein Gewirr aus funkelnden Metallstangen kriechen. Die Edelsteine waren zum Greifen nah, sodass Tarukan seine Männer mit Drohungen und Schlägen davon fernhalten musste.
    Mitunter, wenn Gontas zögerte, stach Isme wieder mit der Schwertspitze nach ihm und trieb ihn weiter. Aber zumeist kam er besser zurecht, als er erwartet hatte. Fast fühlte es sich so an, als könnten seine Gliedmaßen sich an die durchtrennten Bänder und Muskeln gewöhnen, als würden sie gegen jede Vernunft Kräfte zurückgewinnen. Sein Bauch unter dem blutdurchtränkten Verband schmerzte nicht mehr. Mitunter, wenn er darüber nachdachte, fragte sich Gontas, ob das ein gutes Zeichen war, oder ob ihm schon der Tod in die Wunden kroch und eine angenehme, aber letztlich verhängnisvolle Taubheit brachte.
    Die meiste Zeit dachte er gar nicht, sondern bewegte sich in einer schläfrigen Trance. Die funkelnden Lichter hüllten ihn ein, sie hypnotisierten ihn. Oft verlor er sich selbst. Er glaubte, die Farben zu erkennen, die nicht bloß Licht waren, sondern eine Straße, auf der er wandelte. Gontas träumte.
    Gontas träumte von Gehenna.
    Gehenna war eine unwirkliche Welt, ein Ort voll Feuer, von unaussprechlichem Licht und unaufhörlichen Schmerzen. Einst, so erzählte man, war es anders gewesen, doch es hatte einen Krieg gegeben. Seither lebten sie an diesem Ort, der eine Hölle war und beständig schlimmer wurde.
    Sie hatten sich daran gewöhnt, die Bewohner von Gehenna. Sie hatten ihren Leib, den man anderswo körperlos nennen mochte, der aus Licht bestand oder aus bloßen Faltungen in andere Räume, wie ein menschlicher Geist sie nicht verstehen konnte … diesen Leib hatten sie angepasst an die Hitze und an die Strahlen und an die Verwüstung ihrer Welt. So konnten sie leben, überleben, aber kein Augenblick verging ohne Qual.
    Die Bewohner von Gehenna träumten von einer schöneren Welt.
    Und sie fanden eine.
    Hinter den Schleiern der Unwirklichkeit zog sie ihre Bahn, diese ferne, diese milde Welt, die den Bewohnern von Gehenna die Erfüllung ihrer Träume versprach. Sie war fremd, bevölkert von ganz eigenen Geschöpfen. Das Volk von Gehenna hätte unter dieser fremden Sonne nicht existieren können. Aber waren sie nicht die Meister der Anpassung? Sie vermochten Formen zu konstruieren, die ihnen Leib und Hülle waren in der Fremde, und dort, fernab der Qualen ihrer Heimat, wartete eine Welt der Fülle und des Überflusses auf sie.
    Bevor es so weit war, musste das Volk von Gehenna sich die neue Welt erst untertan machen. So neu war dieser Ort, so viel war zu tun. Sie schufen das Tor, um auf die andere Seite zu wechseln, aber noch gab es nicht die Straße aus Licht, die den Übergang leichter machte. Die Ersten, die das Tor durchschritten, mussten sich selbst einen Weg suchen. Viele gingen verloren, und niemand kam ans Ziel ohne Schaden an Leib und Seele.
    Forscher und Pioniere gingen hindurch, Konstrukteure, welche die neue Welt urbar machen und ihren Nachfolgern den Weg bereiten sollten. Sie opferten ihr Leben, um die Ersten zu sein, die den Boden der neuen Heimat betraten. Und das Wesen, das auf Erden Gontas war – im Traum von Gehenna war er ein Krieger und ein Kundschafter aus der

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